Was tun, wenn die Eingewöhnung nicht klappt?
Verzweifelte Eltern auf der einen Seite, weinende und schreiende Kinder auf der anderen: Längst nicht bei allen Kindern klappt die Eingewöhnung in den Kindergarten reibungslos. Warum gibt es häufig Stress? Was ist jetzt zu tun – und was zu lassen? Wir geben euch Tipps für die Kita-Krise.
Schlechter Kita-Start: Wenn Eltern verzweifeln
Auch ein Jahr nach dem Drama der Eingewöhnungsphase denkt Karin Tersteegen nur mit Schrecken daran zurück: „Sobald ich nur für einen Moment aus dem Gruppenraum gegangen bin, kam Jule mir schon weinend hinterher." Nach ein paar Tagen wollte die zweifache Mutter die Kita kurz zum Einkaufen verlassen, doch Jule klammerte sich an Mamas Bein, weinte und tobte. „Es war ein Albtraum." Die Situation verbesserte sich nicht, im Gegenteil: Irgendwann war Jule derart untröstlich und ihre Mutter so mit den Nerven am Ende, dass sie die knapp zweijährige Tochter wieder aus der Kita nahm. Karin Tersteegens Gedanken bewegten sich fortan im Kreis: Warum hatte Jule keinen Spaß in der Kita? Warum klappte die Eingewöhnung bei den Kindern ihrer Freundinnen prima, nur bei Jule nicht? Was war schiefgelaufen?
Kita-Eingewöhnung: Viele tun sich anfangs schwer
Dabei war Jule kein Einzelfall – viele Kinder weinen während des Starts in die Kita-Betreuung. Für Fritz Jansen, Co-Autor des Buches „Erfolgreich erziehen – Kindergarten- und Schulkinder" ist das Teil eines normalen Eingewöhnungsprozesses. Sein für zarte Gemüter vielleicht hart klingender Ratschlag lautet: „Auch wenn's schwer fällt, Eltern sollten auch dann gehen, wenn ihre Kinder weinen. Das müssen beide Seiten einfach eine Weile aushalten. Die meisten Kinder lassen sich meist von Mal zu Mal besser von der Bezugserzieherin trösten." Auch Margarethe Schröder, langjährige Kita-Leiterin in Köln weiß: „Weinen ist normal. Viele Kinder sind noch klein und können ihre Unsicherheit gar nicht anders ausdrücken. Wenn ein Elternteil geht, reagieren sie mit Tränen, weil die Situation für sie ungewohnt ist." Tränen bedeuten aber nicht, dass die Eingewöhnung gescheitert ist. „Wenn ein Kind gegen den Abschied vom Elternteil protestiert, beweist das sein intaktes Bindungsverhalten", so die Kita-Leiterin. Viele Erlebnisberichte in den urbia-Foren erzählen denn auch von gemeisterten Krisen und machen Mut: „Ich saß oft heulend zu Hause, weil mir mein schreiender und weinender Sohn beim Abschied das Herz zerrissen hat. Dennoch kann ich Müttern nur raten, durchzuhalten! Die Zeit der Eingewöhnung ist für niemanden leicht, aber es wird besser. Bei uns war die Eingewöhnung auch nicht nach den üblichen vier bis sechs Wochen abgeschlossen ist, sie hat ein halbes Jahr gedauert."
Sanfte Eingewöhnung soll helfen
Dass sich Kinder mit der Eingewöhnung schwer tun, liegt vor allem an der großen Umstellung: Sie sind in einer völlig neuen Umgebung, getrennt von Mama und Papa und von fremden Erwachsenen umgeben, zu denen sie noch keine Bindung aufgebaut haben. Manche Kinder sind damit einfach überfordert und brauchen die Hilfe der Erzieher und Unterstützung der Eltern. „Eine gute Kita bindet Eltern hier in den Eingewöhnungsprozess ein und bespricht mit ihnen Fortschritte, Rückschläge und Probleme", betont Lieselotte Ahnert, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Wien. Nicht umsonst gibt es deshalb verschiedene Eingewöhnungsmodelle – wie das verbreitete „Berliner Modell". Dabei bleiben die Eltern in den ersten Tagen mit dem Kind einige Zeit in der Kita und üben dann die Trennung nach und nach über eine immer länger werdende Zeit und Distanz ein. Die Erzieher beobachten in der Zeit das Verhalten des Kindes genau, unterstützen es und helfen den Eltern mit Feedback und Erziehungstipps. Eine besondere Rolle nimmt die Bezugserzieherin in der Gruppe eures Kindes ein, die für euch bei Problemen und Beratungsbedarf Ansprechpartnerin ist. Fragt sie am besten schon beim Erstgespräch nach dem Eingewöhnungsmodell in der Kita und erzählt ihr möglichst viel über euer Familienleben, eure persönliche Situation sowie Stärken und Schwächen eures Kindes. So kann sie darauf besser eingehen.
Kleine Kinder: Trennungssituationen früh üben
Wie lange ein Kind für die Eingewöhnung braucht, ist individuell sehr verschieden. Einige Kita-Neulinge sind voller Neugierde und Entdeckerfreude und finden schnell in den neuen Tagesablauf, andere wiederum sind eher ängstlich und scheu. Das hängt nicht nur mit dem Charakter eines Kindes zusammen, sondern auch mit seiner Betreuungserfahrung. Vor allem Kinder unter drei Jahren, die bereits bei einer Tagesmutter oder Kinderfrau waren, tun sich leichter mit der Trennung. Sie haben gelernt, dass Mama oder Papa wiederkommen, auch wenn sie sie für einige Zeit allein lassen. „Den unter Dreijähren hilft es zur Vorbereitung auf das Kita-Leben sehr, wenn sie sich an einen Babysitter gewöhnen können oder regelmäßig eine Spielgruppe ohne Eltern besuchen", rät deshalb auch Kita-Leiterin Margarethe Schröder. Im Alltag lassen sich typische Trennungssituationen regelrecht üben: Du kannst zum Beispiel allein einkaufen gehen und dein Kind bei einer der Oma, Nachbarin oder Hausfreundin lassen, zu der es Vertrauen hat. Dass es mit der Zeit immer besser mit solchen Trennungen klarkommt, stärkt sein Selbstvertrauen.
Kita-Verweigerer: Viele Gründe für Probleme
Dein Kind möchte trotz gut organisierter Eingewöhnung, netter Erzieher und Spielkameraden nicht im Kindergarten bleiben? Ist es drei Jahre oder älter, kannst du versuchen, mit ihm darüber zu reden. Zum Einstieg kannst du z.B. gut mit ihm zusammen ein Bilderbuch zum Thema Kita anschauen und lesen, so dass es dir leichter fällt, dem Grund auf die Spur zu kommen. Hat es vielleicht Angst? Wird es gehänselt? Hat es Schwierigkeiten mit bestimmten Kindern in der Gruppe? Wenn du weißt oder zumindest vermutest, wo das Problem liegt, suchst du am besten das Gespräch mit der Bezugserzieherin – möglichst nicht zwischen „Tür und Angel".
Eltern können nicht loslassen
Manchmal kann sich ein Kind auch deshalb nur schwer lösen, weil seine Mama noch gar nicht so recht möchte, dass es fremdbetreut wird. Kinder spüren die ablehnende Haltung von Mama oder Papa instinktiv und schließen daraus, dass mit der Kita und den Erziehern irgendetwas nicht stimmt. In so einer Situation ist es besonders wichtig, dass die Eltern einen regelmäßigen und guten Kontakt zur Einrichtung suchen. Dabei hilft beispielsweise, sich im Elternbeirat zu engagieren, einen Eltern-Stammtisch zu gründen oder sich mit anderen Eltern anzufreunden und auszutauschen. Das verhindert, den eigenen Sorgen zu viel Platz einzuräumen und hilft, Hindernisse im Kopf zu überwinden. Wenn die Eltern im Beisein des Kindes einen freundlichen Umgang mit den Erziehern pflegen und gut über die Kita sprechen, überträgt sich das auch auf die Einstellung des Kindes.
Trennung von Mama fällt schwer
Für viele Kinder ist immer noch ihre Mutter die erste Bezugsperson. Begleitet sie das Kind bei der Kita-Eingewöhnung, fällt ihm die Trennung deshalb manchmal besonders schwer. Dann kann es helfen, wenn sich beide Elternteile in der Eingewöhnungsphase abwechseln – sofern das mit den jeweiligen Jobs möglich ist. Sprecht das Problem mit dem Chef und den Kollegen offen an und macht nach Möglichkeit eigene Lösungsvorschläge – z.B. morgens später anfangen und dafür Aufgaben in Heimarbeit erledigen, für die Wochen der Eingewöhnung die Arbeitszeit herunterschrauben oder eine Homeoffice-Phase einlegen.
Krisen vor und nach der Eingewöhnung
Es kommt vor, dass sich eine Kita-Krise schon vor der eigentlichen Eingewöhnung androht, z.B. wenn die Familie kurz zuvor ein Baby bekommen hat und das ältere Kind jetzt denkt, es wird deshalb in den Kindergarten abgeschoben. Dann ist es wichtig, dass Mama und Papa exklusive Zeiten nur mit dem Erstgeborenen verbringen. Das kann das ausgedehnte abendliche Vorlesen sein, ein Ausflug am Wochenende oder ein Spiel- oder Musik-Kurs, den Mama oder Papa mit ihm besuchen.
Manchmal erwischt einen die Kita-Krise erst Wochen nach der Eingewöhnung. Dein Kind weint dann vielleicht allmorgendlich, schreit und bleibt untröstlich. Du kannst dann mit der Erzieherin überlegen, ob du es nicht eine Zeit lang später in die Kita bringst und früher wieder abholst – sofern die Erzieherin das für eine gute Idee hält und es mit deinem Alltag vereinbar ist. Sorge vielleicht auch für kleine Aufheiterungen in seinem Tag und verstecke z.B. kleine Überraschungen in der Brotdose oder male ihm ein Herzchen auf den Arm und sage ihm: „Mama und Papa denken an dich, wenn du das Herzchen anschaust." Hat dein Kind Schwierigkeiten, sich in die Gruppe zu integrieren? Dann kann es helfen, morgens als Erster da zu sein. So gesellen sich alle Neuzugänge direkt zu ihm. Ihr könnt auch Kinder, mit denen euer Kind gerne spielt, nach Hause einladen – so etwas wirkt manchmal Wunder.
Ideen für Plan B: Wie mit Notfällen umgehen?
Alternative: Tagesmutter oder Großeltern
Es passiert selten, ist aber möglich: Trotz sorgsamer Vorbereitung, sanfter und individueller Eingewöhnung endet der Kita-Start in der Katastrophe und das Kind muss wieder abgemeldet werden. „Das betrifft meist nur die unter Dreijährigen", erzählt Kindergartenleiterin Margarethe Schröder. „Diese Kinder kommen oft nach ihrem dritten Geburtstag wieder zu uns – und alle Beteiligten wundern sich, dass es auf einmal so gut klappt!" Doch wie sollen berufstätige Mütter die Betreuungszeit dazwischen auffangen? Karin Tersteegen hat das erlebt und einen Ausweg gefunden: „Wir haben für Jule natürlich keinen anderen Kita-Platz bekommen und unser Glück bei einer Tagesmutter versucht, die uns das Jugendamt vermittelte." Die Chemie zwischen den beiden Frauen stimmte sofort und Jule fühlte sich in der schönen geräumigen Wohnung mit zwei gleichaltrigen Kindern von Anfang an wohl. Eine Alternative für Eltern mit Familienanschluss ist auch die Betreuung durch die Großeltern: Sie sind den Kindern vertraut und vermitteln Eltern eine beruhigende Sicherheit.
Wenn gar nichts hilft: Elternzeit verlängern
Findet ihr nach dem verpatzten Kita-Start keine Betreuung in einer anderen Kita, bei einer Tagesmutter, den Großeltern oder Freunden, dann ist die letzte Möglichkeit eine Verlängerung der Elternzeit. „Freunde von uns hat es erwischt", erzählt eine Userin im Forum Kindergartenalter: „Der Kita-Start mit dem zweijährigen Kind hat einfach nicht geklappt und die Mutter musste kurzerhand ihre Elternzeit um zwei Monate verlängern. Danach konnte die Kleine zumindest bis mittags in der Kita bleiben." Nicht selten klappt die Eingewöhnung nach so einer kleinen Schonfrist im zweiten Anlauf besser. „Nach über 40 Berufsjahren kann ich alle verzweifelten Eltern trösten: Jedes Kind ist für eine Betreuung in einer Kita geeignet und fühlt sich dort auch früher oder später wohl. Denn Kinder spielen gerne in Gruppen, sind neugierig und bereit, selbstständig zu werden. Und all das wird in der Kita ja auch unterstützt und gefördert", resümiert Kita-Leiterin Margarethe Schröder.