Erfahrungsbericht: Eingewöhnung in die Kinderkrippe
Mit dem Eintritt in die Kinderkrippe verändert sich das Leben eines Kleinkindes grundlegend. Bei der Eingewöhnung in diese neue Situation sind Geduld und Einfühlungsvermögen gefragt. Eine Mutter erzählt, wie der Start geglückt ist.
Ein erstes Kennenlernen
Noch ganz unverbindlich hatte ich einen Termin zum Vorgespräch in der Kinderkrippe unserer Gemeinde vereinbart. Natürlich war meine 19 Monate alte Tochter Emma mit dabei, als ich mir ein erstes Bild von der Einrichtung machte. Das Treffen mit der Krippenleiterin fand an einem Nachmittag in den Gruppenräumen statt. Nur drei Kinder der Zwergengruppe waren noch da, sie saßen mit einer Erzieherpraktikantin in der Puppenecke und beäugten uns neugierig, als wir uns mit der Leiterin an den kleinen Tischen niederließen. Sie erklärte mir das Konzept der Einrichtung, den Tagesablauf und die schrittweise Eingewöhnung.
Emma interessierte dies alles herzlich wenig, mit Begeisterung probierte sie der Reihe nach alle Stühle aus, schob sie mal hier hin, setzte sich, schob sie dort hin. Die anderen Kinder beachtete sie kaum. Während sie die kleine Holzrutsche ausprobierte, fragte mich Elisabeth*, die Krippenleiterin, über meine quirlige Tochter aus: Was ist sie für ein Charakter-Typ? Womit spielt sie gerne? Sind Krankheiten oder Allergien bekannt? Anschließend zeigte sie uns die Räumlichkeiten, meine kleine Emma war sichtlich angetan vom Waschraum, mit den niedrigen Waschbecken und Kindertoiletten. Danach besuchten wir den Schlafraum, die Turnhalle und das Highlight: den Garten. Meine Tochter durfte die Schaukel ausprobieren und nach kurzer Zeit kamen auch die anderen Kinder dazu. Es herrschte Neugier auf beiden Seiten als ein etwa gleichaltriges Mädchen sie an die Hand nahm, um ihr den Sandkasten zu zeigen.
Ich bekam einiges an Lektüre mit nach Hause: Faltblätter mit der Konzeption der Einrichtung und Informationszettel zur Eingewöhnung nach dem „Berliner Modell", Formulare zum Ausfüllen und eine Bedarfsliste. Alles in allem zog ich ein positives Resümee, vor allem weil Emma so unerwartet offen reagiert hatte.
Die Eingewöhnung beginnt
Einige Zeit später war es soweit: Emma hatte ihren ersten Tag in der Zwergengruppe. Mich plagten gemischte Gefühle mit neugieriger Spannung auf der einen Seite, doch Unsicherheit und Sorgen auf der anderen. Pünktlich um 8:30 Uhr standen wir vollbepackt (die Bedarfsliste ist lang) vor der roten Glastür und klingelten. Elisabeth, die Leiterin der Krippe, zeigte uns den Platz in der Garderobe, wo neben Emmas Namen ein kleiner Pinguin als Symbolbild prangte. Sie zeigte uns, wo wir Wechselwäsche, Windeln, Notfall-Schnuller, Matschhose und Gummistiefel verstauen konnten und stellte uns die dritte Betreuungsperson, Kinderpflegerin Mareike*, vor.
Ich nahm meinen Beobachtungsposten in der Ecke ein, wo ein gemütlicher Sessel stand. Emma zeigte keinerlei Scheu vor dieser neuen Situation, stattdessen (ist das wirklich mein Kind?) stürmte sie ohne zu zögern auf ein kleines Holzpferd mit Rollen zu und drehte fortan ihre Kreise im Gruppenraum. Dieses kleine Gefährt verließ sie auch nicht, als sich alle anderen Kinder in den „Morgenkreis" begaben. Neugierig und interessiert schaute sie bei den Sing- und Klatschspielen zu, wollte ihren Platz auf dem Pferdchen aber nicht aufgeben, um mitzumachen. Nach einer Stunde beendeten wir den ersten Tag, Emma schien es zwar gefallen zu haben, doch auf die Frage „Kommt ihr morgen wieder zu uns?" schüttelte sie energisch den Kopf.
Der zweite und dritte Tag
An den nächsten beiden Tagen änderte sich nicht viel. Emma hatte wieder ihren Platz auf dem Holzpferd eingenommen, ich bezog meinen Posten auf dem „Mama-Sessel". Sie beobachtete die anderen Kinder, ignorierte aber die Erzieherinnen, wenn diese ihr ein Spielzeug oder ein Buch anboten. Ab und zu blickte meine Tochter prüfend in meine Richtung, ob ich noch da sei, oder sie brachte mir ein besonders interessantes Spielzeug. Ansonsten bewegte sie sich frei im Gruppenraum, was ich als gutes Zeichen wertete. Ich fügte mich meine Rolle und blieb im Hintergrund, während mich ein Mädchen penetrant belagerte und mir ein Buch nach dem anderen in die Hand drückte. Ich schickte sie immer wieder freundlich zu den Erzieherinnen, da ich fürchtete, Emma könnte eifersüchtig werden und dann nicht mehr von meiner Seite weichen.
Mama mit!
Beim Morgenkreis waren alle Kinder mit Begeisterung bei der Sache, man bot Emma einen Platz in der Runde an, doch als sie nicht wollte, beließ man es dabei und drängte sie nicht. „Das kommt in den nächsten Tagen von ganz alleine", versicherte mir die Krippenleiterin und ich war froh über diese Einstellung. Wenn die ganze Zwergengruppe in den Waschraum wuselte, rannte Emma ganz selbstverständlich hinterher, doch nicht ohne ein „Mama, mit!". Sie bestaunte die Parade aus Quietsche-Enten, die über den Waschbecken aufgereiht waren und mit sauber gemacht werden durften.
Am dritten Tag blieben wir ein wenig länger, sodass wir auch bei der gemeinsamen Brotzeit anwesend waren. Jedes Kind schnappte sich seine Tasche und suchte sich einen Platz an dem runden Tisch. Ich staunte nicht schlecht, als sich Emma ganz selbstverständlich mit dazu setzte und sich über ihre mitgebrachten Gurken und Möhren hermachte. Auf die Frage, ob sie etwas Tee trinken wolle, nickte sie sogar und streckte Mareike ihren Becher entgegen. Ich, stolz und voller Zuversicht, war gespannt auf den nächsten Tag.
Der erste Trennungsversuch
Ich war zwar auf die erste Trennung vorbereitet, dennoch hatte ich ein wenig Sorge, wie Emma darauf reagieren würde. Kurz nachdem ich die Kleine am vierten Tag in die Zwergengruppe gebracht hatte, verabschiedete ich mich von ihr. Sie klammerte sich an mich, doch ich erklärte ihr, dass ich gleich wiederkommen würde. Ich versuchte möglichst ruhig zu klingen und mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Dann verließ ich den Gruppenraum und drehte draußen rastlos meine Runden.
Als auch nach zehn Minuten niemand kam, um mich wieder rein zu holen (ein gutes Zeichen), stellte ich mich hinter die Gruppentür und lauschte. Kein Weinen oder flehendes „Mama"-Schreien zu hören, trotzdem hielt ich es nicht mehr aus und ging wieder hinein. Emma, die gerade noch mit Elisabeth am Tisch gemalt hatte, rannte sofort auf mich zu und warf sich in meine Arme. Die Krippenleiterin sagte, es sei sehr gut gelaufen. Die Kleine habe zwar kurz etwas geweint, sich aber schnell beruhigen und mit Buntstiften ablenken lassen. Toll, diese erste Hürde haben wir also geschafft!
Auf die zweite Probe war ich gar nicht vorbereitet, denn kurz darauf machte sich der Bedarf nach einer frischen Windel untrüglich bemerkbar. Eigentlich hätte ich das gerne noch selbst erledigt, doch Elisabeth nahm Emma an die Hand, um ihr die Wickelauflage zu zeigen: „Die Mama kommt mit und schaut zu." Ich verfolgte gespannt die Szene, als die Erzieherin meine Süße säuberte und windelte, der Kleinen gleichzeitig alles erklärte und immer wieder an das Mobile pustete, das über dem Wickeltisch aufgehängt war. Emma lag die ganze Zeit still, wie ein Igel im Winterschlaf. Ich erkannte meine sonstige" Strampel-Liese" kaum wieder.
Die Eingewöhnung ist fast geschafft
In den nächsten Tagen wurde das gleiche Schema fortgesetzt. Ich verabschiedete mich schweren Herzens und Emma fing jedes Mal sofort an zu weinen, wenn ich Anstalten machte zu gehen. Immer länger blieb ich draußen, aber ohne die Einrichtung ganz zu verlassen. Falls es nötig gewesen wäre, hätte man mich jederzeit wieder in die Gruppe rufen können. Elisabeth, Mareike und Jana*, die Erzieherpraktikantin, hatten es geschafft, eine Beziehung zu meiner Tochter aufzubauen. Die Kleine ließ sich von ihnen ablenken, trösten und beschäftigte sich mit ihnen und anderen Kindern. Kehrte ich in den Raum zurück, spielte sich aber grundsätzlich die gleiche Szene ab: Emma warf sich mir in die Arme und schien mich nie wieder los lassen zu wollen. Manchmal schluchzte sie dabei ganz theatralisch, als wollte sie mir vorwerfen: „Mama, wie konntest du mich hier alleine lassen?" Im Anschluss blieb ich immer noch eine Weile mit Emma zusammen in der Gruppe.
Wenn das Wetter es zuließ, durften die „Zwerge" in den Garten, was für meine Tochter eindeutig das Größte war. Sie konnte es kaum erwarten, mich an der Hand hinter sich her nach draußen zu ziehen, doch sie musste brav warten, bis alle Kinder angezogen waren. Gar nicht so einfach in dem Alter, doch ich war sicher, dass Emma das bald lernen würde. Im Garten wurde der Schuppen geöffnet und die Fahrzeuge ausgeräumt: Dreiräder, Rutsche-Autos und Laufräder, mit denen die Kinder ihre Kreise auf der „Rennstrecke" zogen. Der große Sandkasten interessierte Emma weniger, stattdessen kletterte sie auf das Spielschiff. Die Schaukel war grundsätzlich belegt, doch das störte Emma nicht weiter. Es gab genug andere tolle Dinge zu entdecken.
Rückschritte inbegriffen
Wenn mein Töchterchen beschäftigt war, hatte ich Gelegenheit mit Elisabeth zu sprechen. Sie erzählte mir, wie sich Emma verhielt, wenn ich nicht im Raum war und zeichnete ein sehr positives Bild. Doch sie warnte mich auch davor, dass es nicht immer so einfach laufen musste. Ihrer Erfahrung nach, kämen bei vielen Kindern, die sich anfangs sehr leicht eingewöhnen, später Phasen, wo die tägliche Trennung wieder schwieriger abläuft. Dies sei aber ganz normal und bräuchte mich nicht zu verunsichern. Außerdem müsste ich mich darauf einstellen, dass die Kinder im ersten halben Jahr zahlreiche Infekte mit nach Hause bringen würden, da sich auch das Immunsystem der Kleinen erst an die neue Situation gewöhnen müsste (mit beidem behielt sie Recht).
Mama-Eingewöhnung
Nach etwa zwei Wochen waren Elisabeth und ich der Meinung, dass Emma nun die vollen vier Stunden Buchungszeit schaffen würde. Ich traute mich, die Einrichtung ganz zu verlassen, doch ich ließ mein Handy nicht aus den Augen. Sobald es klingelte, fürchtete ich, es sei etwas passiert (auch die Mama muss sich erst an diesen neuen Lebensabschnitt gewöhnen). Anfangs wusste ich gar nicht so recht etwas mit dieser neu gewonnenen Freiheit anzufangen. Zu ungewohnt war es, alleine zu Hause zu sein und die Hausarbeit oder Einkäufe ohne Kleinkind im Schlepptau zu erledigen.
Meine Emma ist nun ein „Zwerg"
Dem Rat von Elisabeth folgend, geht die Verabschiedung jeden Morgen schnell und ohne großes Tam-Tam von statten. Doch wenn ich Emma abhole, haben wir es uns zur Tradition gemacht, dass ich vor dem Gehen noch kurz mit ihr spiele oder ein Buch anschaue. Auf der Heimfahrt muss ich aufpassen, dass mir die müde Maus nicht schon im Auto einschläft (ganz schön anstrengend so ein Vormittag in der Kinderkrippe).
Emma hat sich inzwischen sehr gut eingelebt. Sie kennt die meisten der elf anderen Kinder beim Namen und tut sich mit der Trennung deutlich leichter. Steht Turnen auf der Tagesordnung freut sich Emma besonders, doch der Garten ist ihr noch immer der liebste Platz. Ich bin stolz auf mein „Zwergenkind" und bin rückblickend froh, dass ich uns diese Veränderung zugemutet habe. Auch wenn ich es anfangs ungern zugegeben hätte, doch uns beiden tut diese neue Situation unheimlich gut! (*Name geändert)