Zöliakie: Wenn Getreide krank macht
Mindestens bis zum siebten Lebensmonat sollten Kinder keine glutenhaltigen Breie bekommen. Was es mit dem Klebeeiweiß im Getreide und der genetisch bedingten Zöliakie auf sich hat, liest du hier.
Bis zum siebten Monat nur glutenfrei ernähren
Wenn dein Kind nicht richtig zunimmt oder ständig Durchfall hat, könnte das an einer Gluten-Unverträglichkeit liegen. Die Zöliakie ist nämlich keineswegs so selten wie früher angenommen. Glücklicherweise entwickeln sich betroffene Kinder mit der richtigen Diät völlig normal. In den letzten 20 Jahren haben sich die Möglichkeiten, eine Zöliakie zu diagnostizieren, sehr verbessert. Deshalb wurden zunehmend mehr Patienten mit dieser Erkrankung entdeckt, die Häufigkeit beträgt nach aktuellen Zahlen etwa 0,5 Prozent.
Klebereiweiß im Getreide schädigt den Darm
Aufgrund einer genetischen Veranlagung vertragen manche Menschen das Klebereiweiß Gluten nicht, das in den meisten Getreidesorten steckt. Bei ihnen löst der Glutenbestandteil Gliadin eine Autoimmunreaktion gegen die eigene Dünndarmschleimhaut aus. Dadurch werden die Dünndarmzotten zerstört. Die Zotten sind mikroskopisch kleine Ausstülpungen der Darmwand, die beim Gesunden die Nährstoffe aus dem Darm aufnehmen und ins Blut abgeben.
Durch den Verlust der Dünndarmzotten können die Nährstoffe nicht mehr richtig aufgenommen werden. Der Nahrungsbrei passiert also größtenteils ungenutzt den Darm. Deshalb kommt es einerseits zu Verdauungsstörungen wie Durchfällen und Blähungen und andererseits zu Mangelerscheinungen, die sich in einem schlechten Gedeihen (Untergewicht und/oder Minderwuchs) äußern können.
Gluten: Wo steckt es drin?
Zu den glutenhaltigen Getreidesorten gehören Weizen, Dinkel, Grünkern, Roggen, Gerste und Hafer. Glutenfrei sind Kartoffeln, Soja, Reis, Mais, Hirse, Buchweizen, Quinoa und Amarant.
Um der Entwicklung einer Zöliakie und dem Risiko der Unterernährung vorzubeugen, sollten Babys in den ersten sechs Lebensmonaten grundsätzlich glutenfrei ernährt werden, weil der Darm anfangs besonders durchlässig für Eiweißstoffe aus der Nahrung ist. Besonders geeignet sind Reis- und Hirseflocken.
Zöliakie erkennen
Mager und mit Blähbauch: die typischen Beschwerden
Typisch für Kinder mit Zöliakie ist, dass sie als Babys zunächst ganz normal gedeihen, so lange sie gestillt werden oder das Fläschchen bekommen. Denn weder die Muttermilch noch industriell hergestellte Säuglingsmilch enthalten Gluten. Meist treten die ersten Beschwerden ein bis sechs Monate nach Beginn der Beikostfütterung auf, da der Getreidebrei in der Regel glutenhaltig ist.
Die häufigsten Symptome bei Kindern sind:
- Gewichtsstillstand (in 90 Prozent) oder Gewichtsabnahme
- Verdauungsstörungen (in 70 Prozent) wie anhaltende Durchfälle mit teilweise fettig glänzendem, übel riechendem Stuhl oder Blähungen, bisweilen ist aber auch Verstopfung möglich!
- Appetitlosigkeit (in 50 Prozent) und Bauchschmerzen
- Erbrechen (in 50 Prozent), insbesondere bei Babys
- aufgetriebener Bauch (in 33 Prozent), der in auffälligem Gegensatz zu den dünnen Armen und Beinen steht
- Blässe (in 18 Prozent) durch Eisenmangel
- schlechte Laune (in 13 Prozent), Reizbarkeit, missmutiger Gesichtsausdruck
- Minderwuchs (in 3 bis 10 Prozent)
Gar nicht so selten fällt eine Zöliakie auch erst dadurch auf, dass ein Kind immer mehr von seiner Wachstumskurve abfällt. Sein Gewicht bleibt immer weiter unter der Perzentilenkurve (Normwerte in Form einer Kurve, die z. B. im gelben Untersuchungsheft abgedruckt sind) zurück.
Beweis durch Gewebeentnahme aus dem Darm
Besteht bei deinem Kind der Verdacht auf eine Zöliakie, wird der Arzt erst einmal Blut abnehmen. Im Blut lassen sich verschiedene Antikörper ("Abwehrstoffe") gegen Getreidebestandteile und bestimmte Darmwandbestandteile nachweisen. Sind dabei die Antikörper gegen Gliadin nicht erhöht, schließt das bei Säuglingen eine Zöliakie aus. Somit kann deinem Baby eine weitere Diagnostik erspart werden.
Sprechen die Antikörper-Befunden im Blut jedoch für eine Zöliakie, muss zur Bestätigung der Diagnose eine Gewebeprobe aus dem Dünndarm entnommen werden. Für diese Dünndarmbiopsie wird ein dünner Schlauch über die Nase bis in den Dünndarm vorgeschoben. Dort wird, z. B. mit einer kleinen Zange, etwas Dünndarmschleimhaut entnommen, die anschließend unter dem Mikroskop untersucht wird. Sind die Darmzotten abgeflacht oder fehlen ganz, ist die Diagnose Zöliakie gesichert. Die Biopsie ist allerdings nur aussagekräftig, wenn sie vor dem Beginn der glutenfreien Ernährung durchgeführt wird! Unter einer glutenfreien Diät erholt sich die Darmschleimhaut nämlich wieder und es finden sich normale Dünndarmzotten, so dass der Darm gesund erscheint.
Lebenslange Ernährung ohne Gluten
Ist die Diagnose Zöliakie gesichert, gibt es nur eine wirksame Behandlung: Das betroffene Kind muss – in der Regel lebenslang – eine glutenfreie Ernährung einhalten, um symptomfrei leben zu können. Das heißt, die gängigen Getreidesorten wie Weizen, Roggen oder Hafer sind absolut tabu. "Normales" Brot, Müsli oder Nudeln darf dieses Kind nicht mehr bekommen.
Immer mehr Bäckereien bieten inzwischen aber schon glutenfreies Brot an. Auch in Reformhäusern und Bioläden sowie im Versand (z. B. Firma Hammermühle) sind spezielle glutenfreie Produkte wie Brot, Gebäck, Nudeln oder Müslis zu erhalten. Trotzdem erfordert eine Ernährung ohne Gluten viel Ernährungs-Know-how: Auch zahlreiche Fertigprodukte enthalten die zu meidenden Getreide als versteckte Bestandteile, die nicht immer aus der Zutatenliste ersichtlich sind! Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V. (Filderhauptstr. 61, 70599 Stuttgart) gibt deshalb jährlich aktualisierte Listen mit glutenfreien Lebensmitteln heraus, die Mitglieder kostenlos erhalten.
Der Darm wird zwar mit der Zeit etwas stabiler und reagiert nicht mehr sofort bei jedem Diätfehler mit Symptomen. Trotzdem muss die Diät auch im Erwachsenenalter fortgesetzt werden. Ansonsten kann es nämlich durch die chronische Darmentzündung zum Auftreten bösartiger Lymphtumoren kommen.
Tipps für das Leben mit einem zöliakiekranken Kind
- Informiere alle Betreuungspersonen deines Kindes (z. B. Tagesmutter, Erzieherin, Lehrer), aber auch die Eltern von Freunden deines Kindes über die erforderliche Diät. Wird dein Kind im Kindergarten oder in der Schule mit Essen versorgt, sprich dich am besten zusätzlich mit dem Küchenpersonal ab.
- Berücksichtige nach Möglichkeit die Essenswünsche deines Kindes. Das ist besonders wichtig für die Pausenverpflegung. Ist dein Kind zufrieden mit seinem Pausebrot, wird es nicht auf die Idee kommen, dieses mit anderen Kindern zu tauschen. Frage bei Einladungen (z. B. zu Kindergeburtstagen) nach, ob es Speisen gibt, die dein Kind essen darf. Gib ansonsten nach Absprache mit den Gastgebern eine glutenfreie Alternative mit.
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