Die erste Menstruation: Grund zu feiern?
Ist die erste Menstruation eines Mädchens der Beginn einer lästigen "Frauensache", um die man besser nicht allzu viel Aufhebens macht? Oder ein Ereignis, das es zu feiern gilt, vielleicht durch ein kleines Geschenk oder ein schönes Ritual? urbia-Autorin Maja Roedenbeck ist dieser Frage auf den Grund gegangen.
Die erste Menstruation: meist unvergessen wie der erste Kuss
Irgendwann zwischen dem 10. und dem 14. Lebensjahr – durchschnittlich mit etwa 12,5 und spätestens mit 16 Jahren – ist es soweit: Ein junges Mädchen bekommt zum ersten Mal seine Periode. Meist findet zwar noch kein Eisprung statt, sondern es handelt sich um eine Hormonentzugsblutung. Doch das Mädchen, bei dem vorher bereits die Brüste und Schamhaare zu wachsen begonnen haben, gilt jetzt als Frau. Dieses Ereignis bezeichnet auch der geheimnisvoll klingende Begriff „Menarche“ (griechisch „Monatsanfang“), und es ist ein Ereignis, an das sich die meisten Frauen ihr Leben lang erinnern, wie die Anthologie „Rubinrote Zeit – Beginn der Menstruation. Frauen im Alter von 19 bis 90 erzählen“ von Julia Becket (Hrsg., Diametric Verlag, 2007) beweist. Selbst die ältesten unter den befragten Frauen wissen noch genau, wie es damals war. Zum Beispiel Frau Dr. T., 88 Jahre: „Ich war so dreizehn, vierzehn vielleicht, als ich am Morgen aufwachte und etwas Komisches, ‚Dunkles‘ in meinem Bett fand. Erschrocken bin ich nicht, weil ich innerlich darauf vorbereitet war. Meine Mutter sagte nur: ‚Also, das wirste jetzt alle vier Wochen haben, und das ist nicht weiter schlimm, das haben alle Frauen.‘“
Dass die erste Periode ebenso unvergessen bleibt wie der erste Kuss und der erste Sex, ist keineswegs verwunderlich. Unser Gedächtnis prägt sich Erlebnisse besonders gut ein, wenn sie Gefühle auslösen, und die Menarche wird in den allermeisten Fällen hochemotional erlebt. So erzählt „luka22“ im urbia-Forum: „Für mich war es der schönste Tag in meinem Leben! Alle aus meiner Klasse, auch die schmächtigsten und flachbrüstigsten Mädchen, hatten schon ihre Tage, nur ich nicht. Mit 14,5 Jahren war es dann endlich soweit, und ich hätte meine Binde am liebsten auf einen Stock gespießt und wäre in Begleitung der Musikkapelle einmal durchs Dorf gelaufen.“ Andere Frauen erinnern sich dagegen an starke negative Emotionen im Zusammenhang mit ihrer Menarche, zum Beispiel wenn die Blutung sie unvorbereitet überraschte. Franziska, 43, erzählt in „Rubinrote Zeit“: „Es kam nicht nur tröpfchenweise, es kam sehr viel Blut. Wir waren gerade mit einer befreundeten Familie an der Ostsee. Das Wasser verteilte gleichmäßig mein Blut die Beine herunter. Es sah schlimm aus. Meine Mutter sagte etwas wie ‚Ach Gott!‘ Wir reisten kurz darauf vorzeitig ab. Mein Vater sprach kein Wort mit mir. Alle schienen mich zu bestrafen, weil ich eine Frau geworden war.“
Erste Menstruation: Menarche ist ein Grund zum Feiern
Dass die Menarche ein Ereignis ist, das in Erinnerung bleibt, darüber herrscht weitgehend Einigkeit. Und zum Glück verstehen heutzutage auch die allermeisten Mütter, dass es wichtig ist, dem Mädchen ein gutes Gefühl zu den weiblichen Vorgängen in seinem Körper zu vermitteln. Doch ob die Menarche ein Anlass ist, den man mit seiner Tochter feiern oder zu dem man ihr ein Geschenk machen sollten, darüber gibt es verschiedene Ansichten. Ritualberaterin Bettina Sorge (41) aus Fürth (www.ritual-beratung.de) inszeniert für ihre Kundinnen ein sehr intimes Fest, bei dem das Mädchen in den Kreis der Frauen aufgenommen wird: „Durch ein Menarche-Ritual kann ein Mädchen lernen, dass es die Menstruation als Auszeit begreifen sollte, wie es in früheren Stammeskulturen Tradition war. In unserer Gesellschaft, in der wir alle immer funktionieren müssen, wünsche ich uns Frauen einen solchen Rückzugsraum zum Träumen und Visionieren. Wir müssen während der Blutung keine Schmerztablette nehmen und so tun, als wäre nichts, sondern wir dürfen ruhig die Wärmflasche einfordern und uns zur Abwechslung mal um uns selbst kümmern.“
Ein Menarcheritual, wie es Bettina Sorge organisiert, könnte folgende Übungen beinhalten: Ein Raum wird mit roten Tüchern, Kerzen und schönen runden Gegenständen wie Muscheln oder Steinen geschmückt. Die Freundinnen des Mädchens und erwachsene Frauen, die das Mädchen mögen, sind anwesend, wenn es sehr bewusst über die Schwelle in den Raum schreitet, um den Neuanfang zu symbolisieren. Dem Mädchen, das vorher ein weißes Kleid trug, wird nun ein rotes Kleid übergestreift, das es sich vorher für diesen Anlass aussuchen durfte. Nun wird es von den anderen Frauen als eine der ihren begrüßt und bekommt Geschenke. Die Mutter erzählt ihm Geschichten über seine Geburt und seine Kindheit. „Ich finde es wichtig, dass auch die Mutter des Mädchens geehrt wird, damit es ihr leichter fällt, die Tochter in ihr eigenes Leben gehen zu lassen“, erklärt Bettina Sorge. Mutter und Tochter können sich zum Beispiel gegenseitig eine Blume überreichen und mit selbst gewählten Worten ausdrücken, dass sie immer verbunden bleiben wollen, doch dass die Tochter nun in eine neue Lebensphase eintritt.
Hierzulande werden solche Rituale nicht öffentlich wie eine Hochzeit oder eine Trauerfeier abgehalten, sondern meist in spirituellen Frauengruppen, im privaten Kreis. Jedes Ritual folgt, abhängig von den Wünschen der Hauptperson, seinem eigenen Ablauf. In anderen Ländern, besonders bei vielen Naturvölkern, gibt es dagegen feste Bräuche wie zum Beispiel mehrtägige Tanzfeste, die jedoch heute auch nicht mehr so konsequent begangen werden wie zu früheren Zeiten. In Japan feiert man laut der Japanischen Botschaft in Berlin die Menarche, die dort übersetzt „Die erste Flut“ heißt, indem die Familie des Mädchens „roten Reis“ isst, also Reis, der mit roten Bohnen gekocht wird und dabei deren Farbe annimmt. Dieser Brauch wird im modernen Japan nicht mehr so intensiv gepflegt wie früher, jedoch wird auf japanischen Internetseiten viel darüber berichtet. In Sri Lanka werden Tag und Uhrzeit der ersten Blutung eines Mädchens genau notiert und aus diesen Daten wird ein Horoskop errechnet. Ein rituelles Bad und ein Fest mit Geldgeschenken aus der Verwandtschaft gehören ebenso zum Festprogramm.
So viel Aufhebens um etwas so Alltägliches?
Während sich manche Frauen gerade in unserer hektischen Zeit nach solchen mystischen Momenten des Innehaltens sehnen, stehen andere Frauen dieser Einstellung sehr skeptisch gegenüber. Sie nehmen die Antibabypille vier Monate am Stück (Bitte nur nach Absprache mit dem Frauenarzt!) und haben nur noch dreimal im Jahr ihre Periode, sodass sie an Bedeutung verliert. Sie fühlen sich von Werbespots, in denen menstruierende Frauen nur den einen Wunsch haben, das Blut möglichst unauffällig und praktisch aufzufangen und zu entsorgen, nicht diskriminiert, sondern angesprochen. Und die Menarche ist für sie kein Ereignis, das ein Mädchen verheimlichen oder das ihm peinlich sein sollte, aber eben auch kein Grund zu feiern. Eine Tablette gegen menstruelle Unterleibsschmerzen? Warum nicht, wir wohnen schließlich nicht mehr in der Höhle und leiden ja auch beim Zahnarzt nicht freiwillig.
Am Ende muss jede Frau für sich selbst entscheiden, auf welcher Seite sie steht. Ulrike, 40, erinnert sich in „Rubinrote Zeit“ wenig aufgeregt an ihre erste Blutung: „Irgendwann war sie einfach da. Ich habe mich nicht erschrocken. Es blieb unspektakulär. Alles im grünen Bereich. Nun hatte ich sie also auch. An andere Gefühle kann ich mich nicht erinnern, denn die Einstellung meiner Mutter lautete: Wieso Aufhebens um etwas so Alltägliches machen?“ Wie die Menarche sinnvollerweise zu begehen ist, hängt sicher auch davon ab, wie alt das Mädchen ist. Da sich die Pubertät, wie Forscher seit rund 150 Jahren beobachten, bei beiden Geschlechtern immer weiter nach vorn verschiebt, gibt es heute schon zehnjährige oder in Ausnahmefällen sogar noch jüngere Mädchen, die ihre erste Blutung erleben (im 19. Jahrhundert war das teils erst mit 16, 17 oder 18 Jahren der Fall). Eine Zehnjährige wird sich jedoch – Menstruation hin oder her – sicher noch nicht so fraulich fühlen wie eine Vierzehnjährige, und eine Mutter brauchen, die ihr vor allem die Angst vor dem Blut und vor dem Unnormalsein nimmt. Userin “mvtue“ ergreift im urbia-Forum sehr deutlich Partei für einen zurückhaltenden Umgang mit der Menarche: „Ihr als Mütter wollt unbedingt Party machen, damit ihr nicht aus dem Leben eurer Töchter ausgeschlossen werdet. Hätte meine Mutter mit Geschenken und so einem Müll angefangen, ich wäre ihr ins Gesicht gesprungen und hätte ihr nie wieder was von meinem Intimleben erzählt. Ein junges Mädel denkt nicht so wie ihr und findet das tüddeltü, ein junges Mädel findet das oberpeinlich! Aber wenn ihr eure armen Töchter unbedingt blamieren wollt...“ In der Tat hat auch Ritualberaterin Bettina Sorge die Erfahrung gemacht, dass der Impuls für eine besondere Würdigung der Menarche in den meisten Fällen von der Mutter ausgeht, die sich vor allem für sich selbst eine positivere Erinnerung an ihre erste Blutung gewünscht hätte. Weil sie vor fünfundzwanzig Jahren vielleicht nicht aufgeklärt wurde und sich schwer damit tat, die ungewohnten Vorgänge in ihrem Körper zu akzeptieren.
Im Mittelpunkt stehen die Wünsche der jungen Frau
Doch Projektion ist nie angebracht, wenn es um die Begleitung der eigenen Kinder auf dem Weg ins Erwachsensein geht. Die erstmals menstruierende Tochter sollte mit ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen, nicht die Mutter. Wenn das Mädchen geehrt werden möchte, gern. Wenn nicht, dann nicht. „Ich habe mit meiner Familie gefeiert, wir waren essen“, erzählt Pia, 15, in Julia Beckets Anthologie, „Es war genau so wie ich es wollte: nicht soviel Rummel darum machen, aber es dennoch ein bisschen feiern, weil ich ja nun endlich erwachsen werden kann.“ Eine Menarche-Party mit roten Luftballons, rotem Saft und Dresscode „rot“ ist nicht jedermanns Sache, aber ein Frauenabend mit Mama, Tante und der besten Freundin im Kino oder ein gemeinsamer Einkaufsbummel kommen bei modernen jungen Mädchen gut an. Und wenn es doch ein Geschenk sein soll, dann empfiehlt sich zum Beispiel etwas Kleines, Praktisches: ein (selbstgenähtes) Täschchen zum Transport von Binden und Tampons für unterwegs oder ein Buch zum Thema Pubertät wie „Was ist in meinem Körper los?“ von Elisabeth Raith-Paula (12,95 Euro, Pattloch Verlag). Auch Geschenke, die die Weiblichkeit unterstreichen, passen zum Anlass der ersten Periode: zum Beispiel ein Parfum oder eine schicke Klamotte. „Von meiner Tante habe ich einen Mondstein geschenkt bekommen, und wenn ich diesen Stein von meiner Kette wegnehme, verschieben sich meine Tage ebenfalls. So trage ich diesen Stein eigentlich immer um meinen Hals“, erzählt Elena, 19, in „Rubinrote Zeit“. Auch solche etwas spezielleren Geschenke sind also nicht tabu – so lange sie nicht auffallen. Wie zum Beispiel auch der so genannte „Mondring“, den Margaret Minker, Autorin und Expertin für das Thema Sexualität der Frau, in ihrem gleichnamigen Buch empfiehlt. Es ist ein ganz normaler Ring, den sich das Mädchen zur Menarche aussuchen darf, dessen Bedeutung aber nur wenige eingeweihte Frauen kennen.