Selbsthypnose: Angstfrei gebären

Entspannte Geburt durch HypnoBirthing

Geburtsschmerzen entstehen vor allem dann, wenn frau aus Angst verkrampft. Wer seinen Körper gut kennt und entspannt bleibt, kann sanft und natürlich gebären, ob daheim, im Geburtshaus oder in der Klinik, verspricht die Methode des HypnoBirthing. Was ist das und wie funktioniert es?

Autor: Kathrin Wittwer

Hypnobirthing: Voll konzentriert auf die Geburt

Entspannung-Teaser
Foto: © Fotolia / mmphoto

„Man ist weg von dem, was ringsum vorgeht und gleichzeitig absolut fokussiert darauf, was jetzt gerade passiert“, beschreibt Anne Großmann, 30. „Ich war ganz bei mir und meiner Tochter, ohne belastende Gefühle oder Ängste. Ich kann die ganze Geburt in meinem Kopf ablaufen lassen und weiß alles, was ich in diesen Stunden gemacht habe.“

Vor zwei Jahren brachte die Juristin aus Rostock ihr erstes Kind per HypnoBirthing zur Welt. Mit dieser Methode setzen sich Gebärende durch Selbsthypnose in tiefe Entspannung. So wird eine völlige Konzentration auf innere Vorgänge möglich, ein Einlassen auf den Lauf der Natur, ein bewusstes Loslassen des Kindes, das entsprechend sanft geboren wird. 

Die friedliche Stimmung und die außergewöhnlichen Ruhe und Kraft, die Anne bei dieser sehr selbstbestimmten Geburt empfand und zur Begeisterung ihrer Hebamme ausstrahlte, waren für die junge Mutter ein so nachdrückliches Erlebnis, dass sie sich selbst zur Kursleiterin für HypnoBirthing ausbilden ließ und ihr Wissen nun – nebenberuflich, aber mit viel Herzblut und großer Wärme – weitergibt. Dafür muss sie keine Hebamme sein, weil sie Geburten nicht begleitet, sondern die Gebärenden und ihre Partner in ihrer gewünschten Geburtsumgebung in Eigenregie anwenden, was sie im Kurs gelernt haben.

Wichtigstes Ziel: Angst vor der Geburt nehmen

Und das ist weit mehr als „nur“ eine Technik: HypnoBirthing beruht auf der Philosophie, dass Geburten etwas ganz Natürliches sind und eine schöne Erfahrung sein sollten. Das funktioniert aber nur, wenn frau keine Angst hat, denn die lässt verkrampfen, was wiederum zu Schmerzen führt. Weil Angst oft aus Unwissenheit und Unsicherheit entsteht, klärt ein HypnoBirthing-Kurs zunächst darüber auf, was genau bei einer Geburt vor sich geht, um Frauen Vertrauen in den eigenen Körper und in das Kind zu vermitteln, die wissen, was passieren muss und diese Schritte in ihrem eigenen Tempo gehen. Er hilft auch, bestehende Ängste (z.B. nach traumatischen vorherigen Geburten) aufzulösen und lehrt, was eine Frau tun kann, um den Geburtsprozess zu unterstützen und als beglückend zu erleben. 

Angst lässt verkrampfen, Entspannung lässt los

Genau dafür kommen die Entspannungsverfahren ins Spiel, denn, erklärt Anne Großmann: „Im Körper kann immer nur eine Gruppe Hormone herrschen, die Glücks- oder die Stresshormone. Und im entspannten Zustand fließen die Glückshormone.“ Das hilft, locker zu bleiben, die Geburt geschehen zu lassen. „Das geht natürlich auch mit Yoga oder ähnlichem, und manche Frauen ruhen ohnehin so in sich, dass sie das nicht brauchen“, sagt Anne. Auch andere Hypnose-Verfahren wie die „HypnoMentale Geburtsvorbereitung“, bei der der gesamte Geburtsverlauf Schritt für Schritt eingeübt wird, stehen zur Wahl. „Für mich hat sich eben HypnoBirthing bewährt.“

Die HypnoBirthing-Techniken: von Atmen bis Affirmationen

HypnoBirthing beginnt, „damit Stresshormone gar nicht erst auftauchen, weil es zwei Stunden dauert, bis sie wieder abgebaut sind“, direkt mit den ersten Wellen – das bedrohliche Wort „Wehen“ vermeidet Anne konsequent. Jetzt begibt frau sich in einen inneren Wohlfühlbereich und vertieft diese Entspannung stufenweise durch:

  • ruhiges, regelmäßiges Atmen, abgestimmt auf die einzelnen Geburtsphasen,
  • Visualisierungen, also kraftvolle bildliche Vorstellungen von einer guten Geburt, auf die der Körper entsprechend reagiert, und
  • klassische Übungen zur Tiefenentspannung und Affirmationen (Glaubenssätze) zur Selbsthypnose. 

All das wird im Kurs aufgebaut. Dann liegt es an den Frauen, bis zur Geburt (eine Kursteilnahme wird zwischen der 20. und der 36. Schwangerschaftswoche empfohlen) täglich ein bis zwei Mal mit CDs zu üben, um die Entspannung dann auch wirklich herbeiführen zu können. 

 

Mit dem Atem sanft in die Welt gleiten

Gelingt dies, befindet sich die Gebärende schließlich in einer regelrechten Trance. Dabei blendet sie zwar die Umwelt aus. Innerlich ist sie dafür umso wacher und präsenter, um schließlich mit besonders tiefen Atemzügen ihre gesamte Energie unterstützend auf ihr Kind zu richten. „Wer das Gefühl hat, pressen zu müssen, der sollte das tun", sagt Anne. „Aber im Grunde reicht das natürliche Pulsieren der Wellen aus, um das Kind den Geburtsweg gehen zu lassen. Wenn die Mutter synchron zur Pulsation atmet, entspannt bleibt und loslässt, gleitet das Kind mit dem Atmen in die Welt."

Was allerdings nicht bedeutet, dass das Kind einfach so „rausflutscht", ohne dass die werdende Mutter das spürt: „Eine Geburt ist immer eine riesige Anstrengung", stellt Anne klar. „Aber wie ich diese empfinde, was ich fühle, hängt sehr davon ab, wie gut ich vorbereitet bin und welche Einstellung ich dazu habe. Wichtig ist, dass eine Frau sich von ihrem Körper und ihrem Baby führen lässt."

Die Realität: Nicht jede Frau kann das Gelernte zur Geburt anwenden

Und das, sagt die Kursleiterin ebenfalls ganz offen, funktioniert nicht immer: „Das ist wie in der Schule bei einer Klausur. Selbst wenn alle ordentlich gelernt haben, kann nicht jeder alles abrufen." Abgesehen davon, wie intensiv frau geübt und sich konditioniert hat, spielt die Umgebung eine nicht zu unterschätzende Rolle dabei, ob sie sich doch aus ihrem Konzept bringen lässt: „Meine Erfahrung ist, dass es Paaren im Geburtshaus und zu Hause meist besser gelingt. In der Klinik stört oft schon der Effekt, dass es ‚Krankenhaus' heißt, und es Abläufe gibt, die eine Entspannung erschweren."

Allein prinzipiell machbar, viel besser aber mit Partner

Auch darauf bereitet Anne „ihre“ Paare detailliert vor, damit sie einordnen können, was um sie herum passiert. Spätestens hier wird deutlich, warum beim HypnoBirthing die Begleitung durch einen „Geburtsgefährten“ ausgesprochen empfehlenswert ist: Die Techniken können Frauen zwar allein erlernen und mit Hilfe ihrer CDs anwenden. Aber die nötige Atmosphäre zu schaffen, dafür braucht es in der Regel doch einen Begleiter, am besten natürlich den Vater des Kindes. „Der Partner ist der starke Anwalt, der immer für die Frau eingreift, der nachhakt, ob medizinische Eingriffe nötig sind, der für die richtige Atmosphäre sorgt, der darauf achtet, dass es ihr gut geht, dass sie genug Flüssigkeit bekommt, dass die Geburtswunschliste, die man gemeinsam erstellt hat, respektiert wird“, legt Anne den Männern eindringlich ans Herz und gibt ihnen konkrete To Do-Listen an die Hand. Dafür sind die sehr dankbar, fühlen sich nützlich und sicherer. 

Das kommt wiederum der Frau zu Gute: „Ein Mann, der vorbereitet und ruhig ist, kann dies an seine Frau weitergeben“, weiß Anne aus eigener Erfahrung. „Während der Geburt hat mich von allen Anwesenden nur die Stimme meines Mannes wirklich erreicht, und zwar sehr laut und klar, wie in einem leeren Raum.“ So hat er sie mit den geübten Affirmationen unterstützt und Ratschläge der Hebamme an sie weitergegeben. 

Gelernte Entspannung hilft bis heute

Von den einmal erlernten Entspannungsmethoden profitiert Anne übrigens noch heute: „Zunächst haben sie geholfen, die erste Zeit mit dem Baby zu überleben. Ich habe sie immer angewendet, um mich zu beruhigen und in den kurzen Schlafpausen meiner Tochter auch schnell in den Schlaf zu kommen, ohne erst eine halbe Stunde im Kopf durchzugehen, was alles zu tun ist. Heute nehme ich mir im stressigen Arbeitsalltag Pausen, und seien es nur fünf Minuten, um mich damit wieder zu erden.“ 

Was sich über HypnoBirthing noch zu wissen lohnt

  • HypnoBirthing wird seit 1990 praktiziert. Entwickelt hat es, basierend auf den Lehren des Arztes Grantly Dick-Read zur natürlichen Geburt, die Amerikanerin Marie F. Mongan. Sie wollte damit ihrer Tochter traumatische Geburten, wie sie selbst sie viermal erfahren musste, ersparen. Seither sind zehntausende Kinder so zur Welt gekommen.
  • Untersuchungen zeigen, dass bei HypnoBirthing seltener medizinische Interventionen (Einleitungen, Infusionen, Anästhesien, Kaiserschnitte) nötig sind, die Geburtsdauer ist tendenziell kürzer. Auch Geburten, die nicht nach Plan laufen, erleben Mütter, die immer wieder bewusst entspannen, oft trotzdem selbstbestimmter und damit weniger traumatisch und erholen sich danach schneller.
  • HypnoBirthing-Kurse dürfen nur durch das HypnoBirthing Institute ausgebildete und zertifizierte KursleiterInnen geben (s. www.hypnobirthing.de).
  • Der Kurs ist kein Ersatz zum Hebammenkurs, sondern vermittelt in 12 Stunden ergänzendes Wissen und die HypnoBirthing-Techniken zur eigenen Anwendung.
  • Die Kosten variieren regional zwischen 350 und 500 Euro für einen Gruppenkurs und 450 bis 800 Euro für einen Einzelkurs. Die Krankenkassen zahlen nicht; allerdings wurden in Einzelfällen schon Zuschüsse gewährt (gegen Rechnung und Teilnahmebescheinigung, ggf. mit Empfehlungsschreiben des Frauenarztes bzw. mit privatem Rezept).
  • Es gibt keine generellen Gesundheitsfaktoren, die dagegen sprechen, HypnoBirthing zu lernen. Eventuell werden Frauen mit niedrigem Blutdruck in der Entspannung anders angeleitet, um stets im Wohlfühlbereich zu bleiben.  

Service 

Im Netz

Zum Weiterlesen

  • Marie F. Mongan: HypnoBirthing. Der natürliche Weg zu einer sicheren, sanften und leichten Geburt. Mit CD. Mankau Verlag. 2010. ISBN: 978-3-938396-20-9. 19,95 Euro.

Verwandte Themen

  • Liz Lorenz-Wallacher: Schwangerschaft, Geburt und Hypnose: Selbsthypnosetraining in der modernen Geburtsvorbereitung. Carl Auer. 2003. ISBN-13: 978-3896704054. 19,95 Euro.
  • Grantly Dick-Read: Der Weg zur natürlichen Geburt. bzw. Mutter werden ohne Schmerz. (nur gebraucht)
  • Frédérick Leboyer: Geburt ohne Gewalt. Kösel. 1995. ISBN-13: 978-3466343324. 15,95 Euro.
  • Ina May Gaskin: Die selbstbestimmte Geburt. Handbuch für werdende Eltern. Kösel. 2004. ISBN-13: 978-3466344772. 19,99 Euro.
  • Birgit Baader: Geburt. Die Wiederentdeckung des weiblichen Weges. Anahita. 2010. ISBN-13: 978-3937797137. (nur gebraucht)
  • Isabella Ulrich: Die Alchemie der Geburt. DVD mit Yoga-Kurs. 29,90 Euro.