Baby-Blues: Das große Stimmungstief
...trifft viele Frauen nach einer Geburt. Ein Fachmann klärt über die Hintergründe auf und sagt, was Wöchnerinnen dagegen tun können.
Baby-Blues: Hormone spielen verrückt
Viele frisch gebackene Mütter leiden unter einem Stimmungstief nach der Geburt, dem so genannten Baby-Blues. Wenige Tage nach der Geburt brechen sie plötzlich und unvermittelt in Tränen aus, wissen nicht so genau warum eigentlich. Laut Wissenschaft sind die "Wein-Tage" durch "Rooming-in" in Krankenhäusern (das Baby direkt im Zimmer behalten), Hausgeburten und ambulante Geburten viel seltener geworden. Trotzdem erleben viele Frauen nach wie vor dieses unerklärliche Stimmungstief. Der Düsseldorfer Frauenarzt Dr. Ernst Elek nennt die Hintergründe und gibt Tipps, wie man aus dem "tiefen Loch" wieder herauskommt.
Hormone schlagen auf die Stimmung
"Während der Schwangerschaft werden von der Plazenta Hormone produziert, die die Gehirnanhangdrüse belasten", erklärt Dr. Elek. In der Schwangerschaft haben Östrogen und Progesteron, nach der Entbindung Endorphine den Körper förmlich überschwemmt. Plötzlich, von einem auf den anderen Tag, fehlen ihm diese Hormone. Bis das hormonelle und seelische Gleichgewicht wieder hergestellt ist, dauert es einige Zeit. Hinzu kommt, dass etwa drei Tage nach der Entbindung die Milch einschießt, um die Versorgung des Babys zu gewährleisten. Auch dadurch entstehen Verschiebungen im Körper. Hinzu kommt, dass dieser Vorgang oftmals recht schmerzhaft sein kann. "Der ganze Körper muss sich erstmal auf die neue Situation einstellen", so Dr. Elek.
Von der neuen Situation förmlich erschlagen
"Viele Frauen geraten auch durch die völlig neue Situation mit all ihren Folgen in das Stimmungstief", meint der Frauenarzt. In manchen Fällen ist die Frau nach der Geburt noch völlig überschöpft und ein Kind, das sich nicht so schnell an feste Schlafenszeiten gewöhnt, überfordert sie schlichtweg. Auch Erwartungen, die die Frau an sich selbst und ihre neue Rolle im Mutterglück geknüpft hat, können den Babyblues verstärken. Wenn sie etwa merkt, dass sie in der ersten Zeit nicht nur auf Wolke sieben schwebt, wie sie sich das vielleicht vorher ausgemalt hat. Wenn Dritte sich darüber jetzt lustig machen oder mit Unverständnis reagieren, wird die Sache nur noch schlimmer. Denn alles, was Frauen in dieser Zeit brauchen, ist viel Liebe, Zuwendung und Verständnis.
Alles dreht sich nur um das Kind
"Verletzend kann auch für die Frau sein, dass plötzlich ausschließlich das Baby im Vordergrund steht", vermutet Dr. Elek. Alles dreht sich um das Neugeborene. Niemand denkt an die enorme Belastung der Frau und daran, dass eine Geburt zwar das Natürlichste auf der Welt ist - aber eben auch ein gewaltiger Kraftakt. Wenn dann vielleicht schon ein Kind zu Hause auf die Mutter wartet, ist das Chaos nicht selten vorprogrammiert. Man weiß nicht mehr, wo einem der Kopf steht. Die Frau bleibt nun vollends auf der Strecke. Aber auch bei nur einem Kind, eben weil es das erste ist und mit ihm alles anders wird, kann die Welt ganz schön aus den Fugen geraten. Die Mutter steht plötzlich alleine da mit dem Bündel und ist oft hilflos. Dabei spielt natürlich auch das Alter der Frau eine nicht unmaßgebliche Rolle. "Auch der Charakter der Mutter ist entscheidend. Wenn sie schon vorher dazu neigte, schnell pessimistisch und empfindlich zu reagieren und labil ist, ist die Neigung nun umso größer", sagt der Fachmann. Wer mit beiden Beinen im Leben steht, den trifft diese Veränderung nur halb so schlimm. Zumindest nach außen hin.
Klärende Gespräche helfen allen Beteiligten
In dieser schwierigen Situation helfen nach Ansicht von Dr. Elek in erster Linie klärende Gespräche. "Der Mann darf der Frau nicht das Gefühl geben, allein zu sein mit ihren Sorgen." Bei Alleinerziehenden ist die Situation natürlich anders. Sie müssen noch stärker auf die Hilfe von Verwandten und Freunden bauen. In besonders schlimmen Fällen gibt es auch pflanzliche Mittel, die zur Beruhigung beitragen können. Gar nichts hält Dr. Elek im Prinzip vom Griff zu chemischen Arzneimitteln.
Eines ist sicher und für Mütter anfangs oft verwirrend: Wie alle intensiven Gefühle ist auch Mutterliebe zwiespältig. Innigste Liebe steht neben plötzlicher Wut, jubelnde Freude neben tiefer Trauer.
Übrigens: Der Verein "Schatten und Licht - Krise nach der Geburt" ist eine Kontaktstelle und eine Selbsthilfeorganisation für Frauen, die sich nach einer Geburt in einer Krise befinden.