Baby-Blues: Eine Mutter erzählt von ihren Gefühlen
Wenn eine Frau nach einer Geburt große Traurigkeit erfasst, ist der Baby-Blues bei ihr angekommten. Doch nur wenige Mütter sprechen auch über diese Gefühle. Für urbia hat eine Mutter aufgeschrieben, wie es ihr nach der Geburt ihrer Kinder ging.
Melanie Ries ist Mutter von drei Kindern. Als sie im ersten Geburtsvorbereitungskurs von den sogenannten "Weintagen", dem Baby-Blues, hörte, war sie sich sicher, dass sie so nie fühlen würde. Sie freute sich doch so auf ihr Kind! Inzwischen wurde sie zumindest zweimal eines Besseren belehrt. Ihre Gefühle nach den Geburten, als der Babyblues sie "erwischt" hatte, hat sie für urbia aufgeschrieben.
Für mich war schon immer klar gewesen, dass ich Kinder haben wollte. Und eigentlich lief auch alles perfekt. Mit 26 lernte ich den Mann kennen, mit dem ich Kinder haben wollte und nach Abschluss der Ausbildung und ein paar Berufsjahren als Webdesignerin entschlossen wir uns, als ich 31 Jahre alt war, es zu versuchen. Die erste Schwangerschaft endete früh mit einer Fehlgeburt in der neunten Woche. Mir wurde durch diese traurige Erfahrung noch deutlicher, dass ich mir ein Leben ohne Kinder einfach nicht vorstellen konnte. Nach ein paar Monaten selbst verordneter Pause klappte es dann zum Glück wieder im ersten Übungszyklus.
Überrascht vom Babyblues beim ersten Kind
Und dann war Tobias da. Eine unkomplizierte Schwangerschaft, eine unkomplizierte Geburt – aber die überschwängliche Freude endlich Mutter zu sein, mit der ich fest gerechnet hatte, wollte sich nicht einstellen. Das Stillen war mühsam, Tobias nahm zu viel ab, das Personal im Krankenhaus begann Druck zu machen. Ich war überfordert, hilflos und verbrachte die meiste Zeit weinend in meinem Zimmer mit einem selig schlafenden, dünnen Tobias auf dem Bauch. Endlich Zuhause verbesserte sich meine Stimmung etwas. Die Nachsorge-Hebamme brachte unserer kleinen Familie die nötige Ruhe, das Stillen klappte besser. Trotzdem stellte sich die ungebrochene und erwartete Euphorie über mein lang ersehntes Kind nicht ein, die so genannten Heultage hatten mich fest im Griff.
Tobias wurde Anfang November geboren. Jeden Tag um fünf, wenn es draußen dunkel wurde, fing ich an zu weinen. Ich war so kaputt, so hilflos und so angespannt, weil ich nur auf dieses kleine Wesen auf meinem Schoß reagieren konnte. Die einbrechende Dunkelheit und die endlos scheinende Nacht von der ich nicht wusste, ob ich Schlaf bekommen würde oder nicht, gab mit den Rest. Ich vermisste mein altes Leben. Erste Hilfe gegen den Baby-Blues brachte vor allem mein Mann, der mit viel Verständnis und etwas Galgenhumor ("Ach, ist es wieder fünf Uhr?") den Haushalt schmiss und mich unterstützte.
Nach etwa zwei Wochen hob sich der dunkle Schleier über mir. Ich wurde mobiler, konnte mit Tobias das Haus verlassen, meldete mich zur Baby-Massage und bei der Rückbildung an, weil ich merkte, dass mir das Alleinsein mit Baby nicht guttat. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob meine Ambivalenz und mein Zögern in der Mutterrolle nicht auch dafür verantwortlich waren, dass Tobias ein sehr anhängliches Baby war, das sich praktisch ununterbrochen bei mir im Tragetuch aufhielt. Ich hatte immer das Gefühl, dass er mir sagen will „Ich brauche Dich“.
Nach einem Monat hatte ich das Gefühl, angekommen zu sein. Im Nachhinein würde ich sagen, dass die größte Herausforderung war, damit klar zu kommen, dass ich ein ganz anderer Muttertyp bin, als ich erwartet hatte und zu akzeptieren, dass das neue Leben auch Schattenseiten hat. Statt wie erwartet glücklich und erfüllt drei Jahre Elternzeit zunehmen, kehrte ich schließlich mit Begeisterung nach sechs Monaten für einige Stunden in meinen Beruf zurück – was uns allen gut tat.
Babyblues, der zweite
Dass Tobias kein Einzelkind bleiben sollte war uns klar, und so wurde nur 19 Monate später Christian geboren. Die Tiefen der ersten Zeit mit Baby noch sehr präsent, war ich gespannt, wie es mir diesmal gehen würde. Und tatsächlich wiederholten sich meine Gefühle – wenn auch nicht so stark. Nach der Geburt im Juni wurde es jetzt um halb zehn dunkel, wieder der Zeitpunkt, an dem ich von meiner Traurigkeit erfasst wurde. Meistens erwischte es mich am Bett von Tobias, wenn ich noch einmal nach ihm sah. Die Geburt von Christian bedeutete wieder einen Abschied, nämlich den von meinem gewohnten Leben allein mit Tobias. Christian war mir im Vergleich zu Tobias so fremd, brauchte mich aber so viel mehr. Allerdings war ich inzwischen in meiner Mutterrolle so sicher, dass ich sogar teilweise über mich selbst lachen konnte. Ich wusste ja, dass es wieder aufhört. Durch den Baby-Blues konnte ich meine eigene „Geburt“ als zweifache Mutter viel bewusster wahrnehmen.
Aller guten Dinge sind drei?
Der dritte Baby-Blues blieb mir erspart. Als vor zwei Jahren Jakob geboren wurde, fügte sich unser neues Familienmitglied so selbstverständlich in die vorhandene Familienstruktur ein, dass für mich diesmal kein großer innerer Umbruch entstand – und den Wiedereinstieg in den Beruf nach sechs Monaten hatte ich diesmal von langer Hand geplant.
* Namen von der Redaktion geändert