Kleider-Stress am Morgen: Das ziehe ich nicht an!
Ob Kleinkind oder Teenager - der allmorgendliche Klamottenstreik sorgt in vielen Familien für Konflikte. Doch es gibt Lösungen für Kleiderfragen zwischen Markenjeans und Farbenmix, mit denen Eltern und Kind zufrieden sind. Wir haben gute Vorschläge für jedes Alter.
Wer bestimmt, was getragen wird?
Sie kommt fast immer: die Phase, in der das Kleinkind sich nicht anziehen lassen will. Später wollen die Kinder sich zwar anziehen - aber nicht das, was Mama aus dem Schrank zieht. Bei Kids und Teens ändern sich die Vorzeichen wieder: Sie wollen sich die Klamotten selbst kaufen - doch was sie auswählen, gefällt oft den Eltern nicht. Entspannter durch diese Phasen zu kommen - dabei helfen zwei Dinge: die Ursachen für die Vorlieben und Abneigungen des Kindes zu verstehen. Und ein "Deal", eine zum Alter passende Abmachung mit dem Nachwuchs.
Kleinkinder - Kindergartenkinder
Zwei bis drei Jahre: der Anzieh-Streik
"Mein Sohn (2) lässt sich morgens nicht anziehen. Ich muss ihn festhalten, damit er nicht weg kann. Ich versuche es mit Lockungen wie Keksen, einem Kinderfilm und anderem. Nichts hilft, er schreit nur. Gestern hat die Arie fast zwei Stunden gedauert, weil er viel Kraft hat", berichtet eine entnervte Mutter.
Die Ursache: In diesem Alter hat der Klamottenstreik nichts mit der Optik der Kleidung zu tun. Vielmehr kommt es jetzt "leicht zu Trotzanfällen, wenn ein Kind gerade etwas machen will, aber dann in seiner Tätigkeit unterbrochen wird. Aber auch, wenn die Selbständigkeit beeinträchtigt wird, zum Beispiel, weil das Kind sich allein anziehen will", erklärt Dipl.-Psych. Christine Zwanzger-Mosebach aus Frankfurt.
Die Abmachung: Alle stehen ein bisschen früher auf. So hat der Sprössling mehr Zeit, sich aus der Situation (im Bett liegen, CD hören, spielen) sanft zu lösen und sich aufs Anziehen einzustellen - mit Vorankündigung: "Du kannst jetzt noch etwas Musik hören, aber gleich ziehen wir dich an." Eltern können dabei mit dem Kind ausmachen: "Du kannst dich selbst anziehen. Ich helfe, wenn du es sagst."
Ein kleiner Anreiz verhilft zu einem Extra-Push: "Wenn das Anziehen jetzt klappt, ist noch genug Zeit, um… (dir deine Lieblingsgeschichte zu erzählen, ein lustiges Rollenspiel mit dem Plüsch-Elch zu machen, in der Zoohandlung die Mäuse zu besuchen, dafür, dass du selbst den Briefkasten aufschließt und die Zeitung heraus holst, dass du ein Mal die Autohupe drücken darfst)."
Funktioniert aber gar nichts, dürfen Eltern sich auch mal ratlos auf den Teppich plumpsen lassen und sagen: "Ich weiß nicht, was wir jetzt machen sollen. Was denkst du: Wie kannst du deine Sachen am besten anziehen?" Oft wird das Kind eine Idee haben - und den Streik vergessen.
Vorschulalter: Nichts passt zusammen
Im späten Kiga-Alter zieht der Nachwuchs sich meist problemlos an - aber nicht unbedingt das, was Mama oder Papa vorschwebt. Favorit sind vielleicht die knallroten Gummistiefel, obwohl der Wetterbericht 31 Grad ankündigt, oder eine gewagte Kombi aus Streifenshirt und Blumenhose.
Die Ursache: In diesem Alter lieben Kinder knallige Farben und auffällige Muster. Das liegt daran, dass ihre Reizschwelle bei Form und Farbe noch recht hoch ist, Dezentes ist nicht ihre Stärke. Auch der Zusammenhang zwischen Jahreszeit und Kleidungsart erschließt sich ihnen erst wenig.
Die Abmachung: Eltern bieten zwei Outfits zur Wahl an, das kommt dem kindlichen Bedürfnis nach Selbständigkeit entgegen. Besteht das Kind auf selbst Ausgesuchtem, vermeidet nur elterliche Tiefenentspannung einen Machtkampf: Wer es schafft, lässt sein Kind gewähren (evt. mit kurzem Hinweis an erstaunte Erzieherinnen). Doch was, wenn eine Erkältung droht, weil der Nachwuchs im Winter im T-Shirt oder gar barfuß los will? Hier rät der Erziehungsexperte Jesper Juul, es trotzdem den Zusammenhang zwischen Frieren und unpassender Kleidung erfahren zu lassen: "Man kann sagen: 'Okay, ich glaube, das ist ein bisschen kalt, was Du da ausgesucht hast. Ich packe jetzt andere Kleider ein, und wenn’s Dir kalt wird, dann sagst Du den Erzieherinnen Bescheid.'"
Grundschulalter
Frühes Schulalter: Was tragen die Anderen?
Das Kind lässt sich immer weniger hinein reden in Kleidungsfragen, was noch häufiger zu originellen Kombinationen führt. "Meine Tochter ist sieben und will sich nicht mehr sagen lassen, was sie anzieht. Das finde ich okay, aber sie kombiniert zum Beispiel so: buntes Sommerkleid in Pink und Blau mit Blumen. Dazu einen roten Pulli und eine rote Strumpfhose", erzählt eine leicht verzweifelte Mutter.
Zugleich schauen Mädchen und Jungen immer mehr darauf, was die Geschlechtsgenossen so anhaben. Trägt fast jeder Junge Hoodies, möchte man nicht mit kapuzenlosen Sweats außen vor sein. Und ist rosa, das im Kiga noch die einzig mögliche Farbe war, in der Schule "out", wird es strikt verweigert.
Die Ursache: Kinder in diesem Alter wollen so sein, wie die anderen - vor allem äußerlich. Zugleich ist das Empfinden für unpassende Kombinationen weiterhin unterentwickelt.
Die Abmachung: Es ist zu früh, dem Kind den Reiz eines eigenen Stils vermitteln zu wollen. Beim Kauf können Eltern sich beim Nachwuchs darüber informieren, was angesagt ist. Zieht das Kind ein optisch verfehltes Ensemble an, können sie Rat geben. Wird der abgelehnt, sollten sie so selbstbewusst sein, ihr Kind auch mal in suboptimalem Outfit aus dem Haus zu lassen.
Spätes Grundschulalter: zu früh zu sexy?
Ältere Grundschüler fangen bereits an, auf Labels zu achten. Da gibt es plötzlich nur einen einzigen möglichen Hersteller für Basecaps, oder nur zwei akzeptable für Sneaker. Bei Mädchen ist es zudem trendy, sich bereits wie ein Teen zu stylen: mit Minirock, Hotpants, knappen Tops.
Die Ursache ist immer noch dieselbe: Cool ist, wer trägt, was angesagt ist. Und Mädchen, die sich schon früh sexy kleiden, wollen gar nicht wirklich sexy sein - sondern groß: Sie werfen erste Blicke hinüber ins ersehnte Teenie-Alter und imitieren schon mal den Kleidungsstil der Älteren.
Die Abmachung: Ab und zu (und wo es preislich akzeptabel ist), wird Marke gekauft, in anderen Fällen nicht. Möchte ihre Tochter sich stylen wie ein Teen, können die Erwachsenen erklären, welche Signale eine bestimmte Art von Kleidung senden kann - und Kompromisse finden: Den Jeans-Minirock entschärft eine weiße Dreiviertel-Leggings, das transparente Top ein offenes Hoodie, statt Hotpants kann es auch eine enge Jeans-Bermuda sein.
In der weiterführenden Schule
Frühe Pubertät: Ich kauf' meine Klamotten selbst!
Etwa mit dem Start auf der weiterführenden Schule möchten Kids ihre Kleidung im Laden selbst aussuchen und sie bald auch allein einkaufen. Konflikte sind da unvermeidlich: wenn ein Stück, das unbedingt sein musste, doch nie getragen wird. Oder wenn die Wahl bei den Eltern gelinde Erschütterung auslöst, wie bei der Dreizehnjährigen, die sich schon Strings kaufen möchte, wie ihre Mutter in einem Onlineforum berichtet.
Die Ursache: Es fehlt die Erfahrung, was einem steht und was zum eigenen Alter passt. Zudem ist der Geschmack noch unbeständig wie das Wetter: Ein Oberteil, das beim Kauf noch bestach, verliert sofort an Attraktivität, wenn es in der Clique eine negative Bemerkung auslöst.
Die Abmachung: Anfangs wird nur Geld für ein bis zwei Kleidungsstücke mitgegeben. Später werden größere Einkäufe ermöglicht. Bei Fehlkäufen wird gemeinsam besprochen, wie sich Flops vermeiden lassen. Vermodern immer wieder selbst erworbene Stücke im Schrank, muss sich der Nachwuchs am nächsten gleichartigen Teil finanziell beteiligen. Wollen Eltern sich mit String-Tangas für ihre Teenie-Tochter nicht anfreunden, sollten sie nur normale Unterwäsche bezahlen. Ein Tanga darf eventuell vom eigenen Geld finanziert werden.
Teenager: Auffallen um jeden Preis?
Die meisten Teenager halten sich in Kleidungsangelegenheiten an den Mainstream. Andere dagegen fangen jetzt erstmals an, sich durch ungewöhnlichere Klamotten von Anderen abzuheben.
Die Ursache: Ob Gothic-Outfit samt pechschwarzer Haare, ob Boho zu hellrot gefärbter Haarpracht: Eine auffällige Aufmachung sendet starke Botschaften. An die Adresse der Gleichaltrigen lautet sie: "Ich will nicht aussehen wie ihr, denn ihr seid mir zu angepasst!" Und an die der Eltern: "Ich bin nicht mehr das liebe Mädchen/der pflegeleichte Junge von früher!"
Ein auffälliger Stil sagt aber auch etwas über die Gemütslage. Paradoxerweise, so Fachleute, kann dabei sowohl ein gutes als auch ein schwaches Selbstwertgefühl ausgedrückt werden: Ein Teen mit starker Persönlichkeit orientiert sich weniger an der Masse. Und vielleicht mehr an bestimmten Gruppen, die ebenfalls "außerhalb" stehen (HipHop-, Metal-, Skater-, Graffiti-, Demo-, Kletter- oder vegane Szene usw.). Umgekehrt benutzen auch selbstunsichere Jugendliche ein auffälliges Äußeres, um ihre Unsicherheit dahinter zu verstecken.
Die Abmachung: Egal ob ein Jugendlicher mit der Mode geht oder auffallen will: Eltern sollten möglichst wenig am Styling nörgeln und nur ein Veto einlegen, wo sie sich ernsthafte Sorgen machen. Wichtiger ist, hinter die Fassade zu schauen und sich dafür interessieren, wie es dem Teen geht und was ihn gerade beschäftigt. Im Gespräch zu bleiben, ohne vorschnell zu bewerten oder zu urteilen - das ist jetzt die Kunst.