Wie sich Eltern besser Gehör verschaffen
Worte können noch so gut gemeint sein – und trotzdem ihre Wirkung verfehlen. Wer wüsste das nicht besser als Eltern: Sie reden in freundlichstem Ton auf ihren Nachwuchs ein und der macht trotzdem, was er will.
Worte kommen oft nicht an
Worte können noch so gut gemeint sein – und trotzdem ihre Wirkung verfehlen. Wer wüsste das nicht besser als Eltern, die sich täglich mit typischen Kommunikationsproblemen herumschlagen: Sie reden in freundlichstem Ton auf ihren Nachwuchs ein und der macht trotzdem, was er will. Versuchen sie es dann mal mit Strenge, wird das Kind bockig oder zieht sich in den Schmollwinkel zurück ...
Doch nicht nur innerhalb der Familie kann sich die Verständigung schwierig gestalten. Auch in Gesprächen mit den Miterziehern des Kindes (Großeltern, Erziehern, Lehrern ...) stehen Eltern oft vor einer Herausforderung, die nicht selten im Konflikt endet. Wie sind solch schwierige Gesprächssituationen besser zu bewältigen? Die folgenden zehn Fragen und Antworten greifen verschiedene kniffelige Gesprächssituationen auf und bieten Lösungswege an.
- 1. Warum machen Kinder manchmal genau das Gegenteil von dem, was die Eltern ihnen sagen?
Das liegt meistens daran, dass die Eltern ihren Standpunkt nicht glaubwürdig vertreten. Sie verhalten sich unstimmig – das heißt, ihr Tonfall, ihre Mimik und Verhaltensweise stimmen nicht mit dem überein, was sie sagen. Wenn eine Mutter etwa bei einem Wutanfall ihres Sprösslings mit lächelnder Miene und honigsüßer Stimme sagt: „Aua, du tust mir weh! Bitte hör auf, nach mir zu schlagen!“, darf sie nicht damit rechnen, dass das Kind ihre Bitte ernst nimmt.
- 2. Wie sollen Eltern ihre Wünsche dann äußern, damit das Kind darauf eingeht?
Um deutlich zu machen, dass sie es ernst meinen, sollten die Eltern ihren Wunsch nicht nur stimmig zum Ausdruck bringen, sondern das Kind dabei auch anschauen und anfassen. Durch Blick- und Körperkontakt zeigen sie ihrem Nachwuchs, dass sie sich im Augenblick nur mit ihm befassen, mit nichts und niemandem sonst. Dies ist eine Art von Grenzenziehen, die der Aussage die nötige Deutlichkeit und Festigkeit verleiht.
- 3. Warum ist es nicht ratsam, kleinen Kindern zu viele Fragen zu stellen?
Manchmal meinen es Eltern mit ihren Fragen einfach zu gut. Zum Beispiel, wenn es ums Essen geht: „Möchtest du heute Spaghetti, Pizza, Hühnchen mit Reis oder Apfelstrudel mit Sahne?“ Kleine Kinder sind mit allzu vielen Wahlmöglichkeiten meistens überfordert. Die Folge ist, dass sie sich nicht entscheiden können, ihre Meinung ständig ändern und die Eltern mit ihren Launen tyrannisieren. Besser als ständig zu fragen ist daher, das Angebot auf zwei oder sogar nur eine einzige Möglichkeit einzugrenzen: „Heute gibt es Hühnchen mit Reis, das hat dir doch letztes Mal so gut geschmeckt. Was hältst du davon?“
- 4. Worauf sollte man achten, wenn man sein Kind (oder den Partner) auf ein unerwünschtes Verhalten hinweisen möchte?
Gerade in Konfliktsituationen ist es wichtig, dass man seine Aussagen in der Ich-Form und nicht in der Du-Form formuliert. Du-Sätze enthalten nämlich sehr oft einen Vorwurf oder eine Herabsetzung, die den Ansprechpartner vor den Kopf stößt. Ich-Sätze dagegen bringen Gefühle und Wünsche zum Ausdruck, ohne den Angesprochenen zu brüskieren. Statt „Du gehst mir auf die Nerven“ ist es doch viel besser zu sagen: „Ich bin schrecklich müde und möchte für eine Weile Ruhe haben.“ Und statt „Du alter Faulpelz, tu endlich was!“ ist ein Satz wie dieser sicher wirkungsvoller: „Ich brauche dringend deine Hilfe.“
Wenn trotzdem Streit ausbricht
- 5. Wenn trotz allem ein Streit ausbricht – wie lässt er sich am besten beilegen?
Wenn sich die Gemüter auf beiden Seiten erhitzt haben, sollte man das Gespräch fürs Erste abbrechen. Hat sich die Erregung dann einigermaßen gelegt, kann man das Gespräch wieder aufnehmen – vorerst jedoch nicht über das strittige Thema, sondern darüber, wie man vorher im Streit miteinander umgegangen ist: Wie haben wir uns zueinander verhalten und was wollten wir damit bezwecken? Es geht darum, dass jeder seine Gefühle und Motive offen legt. Zum Beispiel so: „Ich weiß, dass ich vorhin sehr heftig reagiert habe. Ich wollte dich damit nicht angreifen, sondern dir nur klar machen, wie wichtig mir die Sache ist.“ So werden die Hintergründe der Auseinandersetzung durchschaubar und man schafft eine Basis, um den Konflikt auf vernünftige Weise zu lösen.
- 6. Wie kommt es, dass zwei Gesprächspartner manchmal völlig aneinander vorbeireden?
Das liegt daran, dass eine Aussage immer verschiedene Aspekte enthalten kann. Wenn ein Mann beispielsweise zu seiner Frau sagt: „Ich habe keinen Appetit“, so bezieht sich diese Aussage zunächst auf eine Tatsache. Sie kann daneben jedoch noch andere Aspekte enthalten, etwa einen Beziehungsaspekt („Wenn dir etwas an mir liegt, musst du merken, wie schlecht es mir geht“) oder einen Selbstoffenbarungsaspekt („Ich habe ja solchen Kummer“) oder einen Appellaspekt („Du musst etwas tun, um mich aufzuheitern“). So kann es kommen, dass der Sprecher seine Aussage anders meint als sie der Angesprochene versteht – und Missverständnisse entstehen.
- 7. Gibt es eine Möglichkeit, nicht nur im Zwiegespräch, sondern auch als ganze Familie besser miteinander zu kommunizieren?
Es gibt eine spezielle Einrichtung, die der Psychologe Rudolf Dreikurs unter dem Namen „Familienrat“ entwickelt hat. Zu einem festgelegten Zeitpunkt der Woche kommt die ganze Familie zusammen und berät über Themen, die alle Familienmitglieder betreffen: zum Beispiel über die Aufgabenverteilung im Haushalt. Wichtig ist, dass alle Familienmitglieder gleichberechtigt sind. Entscheidungen sind außerdem nur dann gültig, wenn sie einstimmig getroffen wurden. Der Familienrat ist damit ein wertvolles Instrument, mit dem man lernen kann, Verantwortung zu teilen und in Gesprächen zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen.
Großeltern, Kindergarten, Schule
- 8. Stimmt es, dass sich Großeltern allzu oft ungebeten in Familienangelegenheiten einmischen?
Großeltern sind in den ersten Lebensjahren des Kindes meist wichtige Miterzieher. Ihre Dienste als Babysitter werden gewöhnlich auch gern in Anspruch genommen. Andererseits erleben viele Großeltern, dass die jungen Eltern auf ihren Rat sehr abweisend, wenn nicht gar zornig reagieren. Das liegt nicht unbedingt daran, dass ihre Meinung nicht gefragt ist. Es hängt eher mit der Formulierung zusammen. Oft sind es unglückliche Du-Sätze (vgl. Punkt 4), die von den jungen Eltern als Vorwurf und massive Bevormundung aufgefasst werden, obwohl sie doch nur gut gemeint sind. Beispiel: "Du solltest dem Kind das Grüßen beibringen." Wenn es zu Spannungen zwischen Eltern und Großeltern kommt, sollten beide Seiten ihr Gesprächsverhalten unter diesem Aspekt unter die Lupe nehmen.
- 9. Wozu ist das Elterngespräch im Kindergarten gut – geht es da überhaupt um wichtige Dinge?
Tatsächlich nehmen Eltern die Sprechstunde im Kindergarten nur selten in Anspruch, weil sie ihre Bedeutung unterschätzen. Dabei bietet ihnen ein solches Gespräch eine gute Chance, ihr Kind aus dem Blickwinkel einer anderen Person kennen zu lernen und davon für ihre eigene Erziehungsarbeit zu profitieren. Wichtiger noch: Im Gespräch mit der Erzieherin bekommen die Eltern wertvolle Hinweise, wie sich ihr Kind im Vergleich zu seinen Altersgenossen entwickelt.
- 10. Wie kann bei Lehrer-Eltern-Gesprächen ein gutes Gesprächsklima entstehen?
Auch hier sollten Eltern die Sprechstunde möglichst regelmäßig wahrnehmen – nicht erst, wenn es kriselt oder die Leistungen des Sprösslings gesunken sind. Denn steht erst einmal die Schulkarriere des Kindes auf dem Spiel, laufen die Lehrer-Eltern-Gespräche oft sehr emotionsgeladen ab. Generell sollten Eltern nicht nur Verständnis und Entgegenkommen vom Lehrer erwarten, sondern auch selbst etwas für ein gutes Gesprächsklima tun: indem sie statt zu lamentieren klare Ziele formulieren, auf Generalangriffe verzichten und auch den Standpunkt des Lehrers gelten lassen.
Zum Weiterlesen:
Rita Steininger: Eltern lösen Konflikte. So gelingt Kommunikation in und außerhalb der Familie, Klett-Cotta, 2006
Das Buch stellt nicht nur bekannte Kommunikationsmodelle vor, sondern enthält auch viele anschauliche Beispielszenen sowie kleine Tests und Übungen, die die praktische Umsetzung erleichtern.