Seid mutig! Das schafft viel Frieden
Seit zweieinhalb Jahren ist Tina (39) Wochenendmutter. Sie lebt die Rolle, die lange Zeit und oft heute noch Vätern zugeschrieben wird. Hier erzählt sie über die Gründe für ihre Entscheidung, ihren Alltag mit ihren Kindern und die Ablehnung, die sie manchmal erfährt.
Zusammen entschieden, die Kinder bleiben bei ihm
Es gibt Entscheidungen, die sind richtig und werden dennoch von Außen kritisiert, bewertet und verurteilt.
In den letzten zweieinhalb Jahren habe ich genau das erlebt. Nach der Trennung von meinem Mann ging ich - aufgrund unserer bisherigen Lebenssituation - zunächst wie selbstverständlich davon aus, dass die Kinder zukünftig bei mir leben würden. Doch auch er konnte sich das vorstellen. Wir waren uns einig, dass wir nicht über und um die Kinder streiten würden und so wägten wir ab. Wir entschieden, dass die Kinder bei ihm bleiben und ich ausziehe. Leicht fiel mir das keinesfalls, auch wenn mir das gerne unterstellt wird. Vielleicht, weil es dann einfacher ist, zu glauben, dass eine Mutter “so etwas” tun kann.
Durch diese Entscheidung konnten unsere Kinder weiterhin in dem Dorf leben, in dem sie aufwuchsen. Die Große wurde mit Kindern eingeschult, die sie kannte und alle zusammen wohnen in der Nähe der Großeltern. Ich zog in die nächste größere Stadt, knapp 40 km entfernt.
Für mich war klar: nur alle 14 Tage, das geht für mich nicht. Und so hole ich meine beiden Mädels (8 und 6 Jahre alt) an zwei festen Tagen der Woche vom Kindergarten und der Schule ab. Wir verbringen den Nachmittag zusammen und abends bringe ich sie wieder zurück zu ihrem Papa. An jedem zweiten Wochenende bleiben sie bei mir.
Nicht nur Spaßmama
Seit der Trennung ist er hauptverantwortlich und hat die Rolle inne, die ich zuvor hatte. Dennoch bin ich nicht nur Freizeit- und Spaßmama, ich habe nach wie vor einen Erziehungsauftrag und begleite meine Kinder so, wie ich es tun würde, wären sie jeden Tag bei mir. In unserer gemeinsamen Zeit unterstütze ich bei den Hausaufgaben und tröste die Große, wenn sie Ärger mit Klassenkameraden hat. Wir unternehmen viel, kümmern uns aber auch um alltägliche Verpflichtungen wie einkaufen oder den Haushalt oder den Garten. Ich plane gemeinsam mit ihnen ihre Kindergeburtstage und führe diese durch. Und so wie vor zwei Jahren für die Große haben wir intensiv für die Kleine einen Schulranzen gesucht und nun gefunden. Ich bin bei Kindergarten- und Schulveranstaltungen mit dabei und übernehme dort Dienste. Am Anfang haben wir jeden Abend miteinander telefoniert und uns mindestens "Gute Nacht" gesagt. Umgekehrt riefen sie beim Papa an, wenn sie bei mir waren. Heute brauchen sie das nicht mehr. Sie wissen, dass es ihre Eltern zwar nicht mehr als Paar gibt, sie aber dennoch beständig da sind - Eltern, die trotz Trennung nicht übereinander herziehen, sich in den wesentlichen Erziehungsfragen einig sind und durchaus absprechen. Ausgespielt wird bei uns niemand.
Als Mutter bricht man ein Tabu
Wäre diese Konstellation umgekehrt, würde man jeden Vater in den Himmel loben. Dass dieser sich so sehr für die Kinder einsetzt und in der Woche über 400 km für sie fährt. Aber als Mutter darf man so eine Entscheidung nicht treffen, auch nicht, wenn es allen dabei gut geht. Als Mutter bricht man ein Tabu und straft scheinbar alle anderen Lebensentwürfe Lügen.
Oft wird mit entgegnet: "Ich könnte das nicht." Bei mir kommt an: "Du kannst das, dir fällt das leicht." Dabei ist das absolut nicht wahr. Es gibt Tage, die sind gut, aber es gibt immer wieder Tage und Situationen, die sind sehr schwer für mich. Doch meinen Kindern geht es gut und nur darum geht es. Und genau aus diesem Grund kann ich es.
Ich liebe meine Kinder sehr, genauso wie es ihr Papa tut. Wir sind zwei Eltern, die aufgehört haben, einander zu lieben, aber weiterhin beide für ihre Kinder da sind. Und wir haben gemeinsam einen besonderen Weg gefunden, der für unseren Mikrokosmos wunderbar funktioniert. Meine Große fasste es mal so zusammen: "Es ist jetzt gut. Aber früher war es besser." Verständlich. Kinder wollen immer, dass ihre Eltern zusammen sind.
Mich ständig be- und verurteilen lassen
Nach zweieinhalb Jahren habe ich das Gefühl, alles erlebt zu haben. Mir wurde gesagt, dass ich meine karmischen Aufgaben verletze und einen Fehler gemacht hätte. Dass ich diesen wieder bereinigen und mich meiner Pflichten beugen müsse. Ich dürfe das Gesetz nicht brechen. Ich wurde gefragt: "Und wenn du dir in ein paar Jahren vorwirfst, was du getan hast?" Oder: "Was, wenn den Kindern in der Schule die Frage begegnet 'Wieso lebst du nicht bei deiner Mutter? Ist die abgehauen?'"
Mittlerweile ist es ruhiger geworden rund um meine Situation und entgegen der Befürchtungen anderer wurden meine Kinder noch nie verhöhnt. Im Gegenteil, meine Große geht recht offensiv mit ihrer Situation um und staunt eher, wenn sie mitbekommt, dass getrennte Eltern anderer Kinder nicht mehr miteinander reden.
Heute geht es mir gut. Doch vor zwei Jahren hat mich das so belastet, dass ich anfing, in meinem Blog darüber zu schreiben. Ich weiß noch genau, wie ich da an meinem Esstisch saß und auf den blauen Button "Publizieren" klickte. Ich war davon überzeugt, dass ich nun richtig Ärger bekommen und dass ein Shitstorm losgehen würde. Doch ich war es einfach leid, dass ich mich ständig be- und verurteilen lassen musste und ich dachte, all das, was mir begegnet, das spiegel ich jetzt einfach nach außen.
Tatsächlich passierte genau das Gegenteil. Mein Blogbeitrag "Wochenendmutter" ging viral durch die Decke und entgegen meinen Befürchtungen erhielt ich wahnsinnig viel Zuspruch und Bestätigung. Zwei Jahre ist der Beitrag nun alt, wurde über 180 Mal kommentiert und insgesamt 35.000 Mal gelesen.
Doch das allerbeste: Es meldeten sich sehr viele Mütter bei mir, deren Kinder nach der Trennung ebenfalls bei ihrem Vater leben. Eine Mutter bedankte sich erleichtert bei mir, sie dachte, sie wäre ganz allein. Insgesamt dankten mir viele für meine Offenheit. Besonders berührt haben mich die mittlerweile erwachsene Söhne und Töchter, die bei mir kommentierten, dass sie so aufwuchsen, wie meine Kinder heute und dass es ihnen damit gut gegangen ist.
Trefft Entscheidungen, die zu euch passen
Wenn man ständiger Bewertung ausgesetzt ist, verändert es, wie man denkt, fühlt und wie man sich durchs Leben bewegt. Als mir das klar wurde, hat sich das für mich zum Positiven gewandelt. Ich bin nun stärker und konzentrierter. Das allerwichtigste ist, dass es uns gut geht und für uns vier funktioniert. Ganz egal, ob das anderen gefällt oder nicht. Ich möchte behaupten, fast jeder kennt das - dass die Bewertung von Außen uns negativ beeinflusst.
Ich möchte Mut machen. Trefft Entscheidungen, die zu euch passen und nicht nur der Zufriedenheit anderer dient. Findet Lösungen, die individuell und maßgeschneidert sind. Egal in welcher Situation, sei es beruflich oder privat. Aber ganz besonders, wenn ihr als Paar nicht mehr zurecht kommt. Ich denke, man darf als Paar versagen, als Eltern nicht. Und das heißt für mich: Eltern finden gemeinsam eine Lösung - wie auch immer diese aussehen wird. Es gibt Lösungen außerhalb des typischen „der Vater zieht aus und sieht sein Kind nur alle 14 Tage – wenn überhaupt". Findet sie. Seid mutig. Redet miteinander. Das schafft viel Frieden - für die Kinder, aber auch für die Eltern.