Die Nachricht, die ich bekam, als ich im Job eine Panikattacke hatte
Julia ist eigentlich eine ganz normale junge Frau. Wären da nicht ihre schweren Ängste. Was sie am meisten fürchtet: eine Panikattacke im Job zu erleiden. Als genau das passiert, bekommt sie die Nachricht einer Kollegin, die ihre Weltsicht verändert.
Julia ist eigentlich eine ganz normale junge Frau. Wären da nicht ihre schweren Ängste. Was sie am meisten fürchtet: eine Panikattacke im Job zu erleiden. Als genau das passiert, bekommt sie die Nachricht einer Kollegin, die ihre Weltsicht verändert.
Ich liebe hübsche Menschen. Menschen, die innerlich so hübsch sind, dass sie Deine Sicht von Dir selbst verändern. Ich habe nicht immer die beste Meinung von mir. Oft fühle ich mich beschämt, falsch verstanden und allein. Das sind Folgen meiner psychische Erkrankung. Ich sage das nicht, um Mitleid zu heischen. Es ist einfach die Wahrheit.
Die meiste Zeit hindert die seelische Erkrankung mich nicht daran, mein Leben so zu leben, wie ich es will. Sie beherrscht nur einen Teil von mir. Ich war gut in der Schule, chillte am Wochenende mit meinen Freunden, und ich jobbte in einem Restaurant, um Geld fürs Studium zu verdienen. Ich hasste meinen Job als Kellnerin. Der Stress, die Bestellungen richtig aufzunehmen, das Essen zu servieren und meinen perfektionistischen Manager zufrieden zu stellen, war mehr als ich brauchte. Während jeder Schicht zählte ich die Minuten, bis ich nach Hause gehen konnte.
Am Abend meiner freiwilligen Schicht zog ich mir ein weißes Kleid an und setzte ein künstliches Lächeln auf.
Ich mochte den Job schon nicht, als ich dafür bezahlt wurde. Dementsprechend war ich erst recht nicht begeistert, als ich erfuhr, dass ich ohne Bezahlung beim jährlichen Charity-Limonadenstand arbeiten sollte, zusammen mit einer Frau, die ich nicht kannte, einer weiteren Kellnerin und ihren drei kleinen Kindern.
Am Abend meiner freiwilligen Schicht zog ich mir ein weißes Kleid an und setzte ein künstliches Lächeln auf. Ich versuchte, das Beste draus zu machen, aber Kinder, die becherweise zuckrige Limonade in sich hineinschütten und ein heißer Sommerabend in North Carolina – das ist eine gefährliche Kombination. Meine Schicht hatte erst eine Stunde gedauert, da übergab sich ein Kind nach dem sechsten Becher – nur einen Schritt von mir entfernt. Die meisten Menschen hätten das einfach eklig gefunden. Und ich? Wurde mit der größten Angst konfrontiert, die ich habe, seit ich neun Jahre alt war.
"Niemand mag sich übergeben", sagen die Leute immer zu mir. Ich verstehe das. Aber ich hasse es, Und allein der Gedanke daran, dass ich mich übergebe oder dass sonst jemand es tut, reißt mich in einen unkontrollierbaren Strudel von Ängsten und irrationalen Gedanken.
Ich kämpfte darum, nach außen stark und lässig zu wirken, und ich wollte nicht, dass Leute sehen, wie ich zusammenklappe.
An diesem drückenden Juli-Abend hatte ich den Eindruck, dass ich die Situation im Griff hatte. Ich nahm ruhig das Geld des Kunden, den ich gerade bediente, gab ihm den Becher mit Limonade und zwang mich zu einem Lächeln. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, wie sehr ich mich bemühte, meine Atmung zu kontrollieren und meine Gedanken zu ordnen. Ich konnte doch nicht vor ihm die Beherrschung verlieren! Ich kämpfte darum, nach außen stark und lässig zu wirken, und ich wollte nicht, dass Leute sehen, wie ich zusammenklappe. Solange er vor mir stand, zwang ich mich dazu, meine Gefühle zu unterdrücken. Ich wollte auf keinen Fall vor diesem Mann eine Panik-Attacke haben. Sobald er ging, merkte ich, wie ich die Beherrschung verlor. "Bin gleich zurück", sagte ich und verschwand im Restaurant. Ich lief durch die Eingangstür direkt in das Chaos des Hochbetriebs am Samstagabend. Leute warteten auf ihren Tisch, die Kellner liefen mit den Tellern vorbei, und die lauten Unterhaltungen der Gäste gaben meinem ohnehin schon übererregten Gehirn den Rest. Ich suchte verzweifelt nach einem Ausweg.
Da sah ich einen Stuhl hinten im Restaurant und dachte: Bis dahin muss ich es schaffen. Ich konzentrierte mich auf den Stuhl und begann, auf ihn zuzugehen. Es schien, als würde er immer weiter vor mir zurückweichen. Der Raum drehte sich, alle Geräusche wurden noch intensiver, bis sie zu einem einzigen schrillen Lärm wurden. Ich brach in kalten Schweiß aus, als ich an Tischen vorbeilief, an denen Familien ihr Abendessen genossen. Als ich näherkam, setzte sich eine meiner Kolleginnen auf den Stuhl und begann, ihre Quittungen zu sortieren.
Ich öffnete die Edelstahltür und fiel auf die Knie, als sie hinter mir zufiel.
Ich musste einfach von allen Menschen weg. Ich änderte die Richtung und lief an meiner Kollegin vorbei, um ganz nach hinten zu gehen. „Geht es dir gut?", fragte sie mich. Ich nickte. Mir geht es immer gut, vor allem, wenn es mir nicht gut geht. Ich lüge, weil ich nicht will, dass die Leute sich Sorgen um mich machen, und ich will nicht, dass sie denken, ich wollte nur ihre Aufmerksamkeit erregen. Sie rief mir etwas nach, aber ich drehte mich nicht um. Mir waren die Tränen gekommen, und ich wollte nicht, dass sie mich weinen sieht.
Ich hasse die Person, zu der ich während einer Panikattacke werde. Ich schäme mich für das Mädchen. Ich will nicht, dass irgendjemand es sieht, vor allem Leute, von denen ich mir wünsche, dass sie mich respektieren. Sie werden denken, ich sei schwach, und ich kämpfe so darum, stark zu sein. Obwohl ich meinen Job hasste, mochte ich meine Kolleginnen. Ich wollte nicht, dass sie die Seite von mir sehen, die ich so unbedingt verstecken wollte. Wenn sie mich während einer Panikattacke sehen würden, würde alles offensichtlich, für das ich mich schäme.
Der einzige Rückzugsort in diesem Restaurant am Samstagabend war der Kühlraum. Ich hielt den Kopf gesenkt, während ich mich an den Köchen vorbeischlängelte. Ich öffnete die Edelstahltür und fiel auf die Knie, als sie hinter mir zufiel. Ich zitterte am ganzen Körper und suchte etwas, worauf ich mich konzentrieren konnte. Mein Blick sprang von den riesigen Butterpaketen zu den Dosen mit den Tomaten in Stücken und blieb schließlich an den Kisten mit dem gefrorenen Brot hängen, die sich bis zur Decke stapelten.
Ich atmete schnell die eisige Luft ein, während mein Herz mir bis zum Hals schlug, und versuchte, den Schwindel loszuwerden. Ich hatte Angst, ohnmächtig zu werden oder, noch schlimmer, mich übergeben zu müssen. Ich wusste, dass das nicht passieren würden, aber ich hatte trotzdem schreckliche Angst. Ich schloss die Augen und sagte mir, dass es mir gutgehe. Mir geht es gut. Diese vier Wörter gehören zu meinen häufigsten. Sie sind gelogen.
Ich hatte große Angst vor meiner Managerin und ich wusste, es würde ihr nicht gefallen, dass ich den Limonadenstand verlassen hatte.
Nach ein paar Minuten im Kühlraum war mir klar, dass ich wieder rausgehen müsste. Ich hatte große Angst vor meiner Managerin und ich wusste, es würde ihr nicht gefallen, dass ich den Limonadenstand verlassen hatte. Ich vermied es, ihr auf dem Weg durchs Restaurant zu begegnen. Ich wollte mich nicht vor ihr rechtfertigen. Zurück am Stand setzte ich mein künstliches Lächeln wieder auf und versuchte mit aller Macht, den Fleck auf dem Bürgersteig zu ignorieren. Nach einer weiteren Stunde war meine Schicht zu Ende und ich konnte nach Hause gehen.
Später am Abend bekam ich eine Nachricht von der Kollegin, die mich nach hinten hatte rennen sehen. „Mach dir keine Sorgen wegen heute Abend", schrieb sie. „Falls ich dich mal drücken soll oder du etwas anderes brauchst, wenn du gestresst bist, dann sag mir einfach Bescheid. Ich bin für dich da.
Ich las die Nachricht dreimal. Es überrascht mich wirklich, wenn Leute so nett sind. Ich konnte es nicht glauben. Nach so vielen Erfahrungen mit Menschen, die einen verurteilen und beleidigen, fragte ich mich, warum irgendjemand nett zu mir sein wollte. Sie war eine meiner Lieblingskolleginnen. Sie hatte immer einen Witz oder eine lustige Geschichte zu erzählen, und sie schaffte es, dass alle sich wohlfühlten. An diesem Abend war sie nicht nur nett zu mir gewesen, wie immer, seit ich sie kennengelernt hatte. Sie war für mich dagewesen.
Mir bedeutete die Nachricht unendlich viel. Durch sie fühlte ich mich weniger schwach, weniger peinlich, weniger blöd.
Ich weiß nicht, ob Kendal sich überhaupt viele Gedanken machte über das, was sie da geschrieben hatte. Das musste sie auch gar nicht. Mir bedeutete die Nachricht unendlich viel. Durch sie fühlte ich mich weniger schwach, weniger peinlich, weniger blöd. Ich fühlte mich weniger allein. Sie half mir, mein Selbstvertrauen aufzubauen, nachdem ich mir selbst immer wieder gesagt hatte, dass meine Kolleginnen mich sicher für eine peinliche Person halten, die um jeden Preis Aufmerksamkeit erregen will. Ich wollte bei der Arbeit einfach nur dazugehören, und dabei half es sicher nicht, im Kühlraum eine Panikattacke zu haben.
Ich antwortete ihr. Sogar als ich mich nur bedankte, fragte ich mich schon wieder, ob ich richtig mit der Situation umgehe. Ich wollte sie nicht belästigen. Im Gespräch merkte ich, dass Kendal sich tatsächlich Gedanken machte. Sie wollte sicherstellen, dass es mir gut geht.
„Jeder Tisch kann einen Moment auf dich warten", sagte sie und brachte mich dazu zu versprechen, dass ich ihr sagen würde, wenn ich eine Umarmung bräuchte oder jemanden, mit dem ich reden könne, wenn ich Hilfe bräuchte. Sie sagte mir, dass sie für mich da sei, falls so etwas wieder passieren sollte. Ich hatte mir immer gewünscht, dass jemand das zu mir sagen würde.
In der vierten Klasse fand ich mich im Büro des Beratungslehrers wieder, nachdem ich den Unterricht verlassen und mich für Stunden unter dem Tisch der Bibliothekarin versteckt hatte.
Die Panikattacke am Limonadenstand war nicht die erste derartige Episode. Peinliche Symptome stellen sich oft genau dann ein, wenn ich sie am wenigsten erwarte. In der vierten Klasse fand ich mich im Büro des Beratungslehrers wieder, nachdem ich den Unterricht verlassen und mich für Stunden unter dem Tisch der Bibliothekarin versteckt hatte. Dort sagte mir der erste meiner acht Therapeuten, dass mein Kopf nicht so funktioniert wie der anderer Menschen. In den neun Jahren, die seitdem vergangen sind, bekam ich die Diagnosen „Generalisierte Angststörung", „Panikstörung", „Spezifische Phobie", „Bipolare Störung", „Zwangsstörung" und „Depression".
Ich erzähle Menschen nur selten davon. Nach meiner Erfahrung sind das unangenehme Unterhaltungen. Wenn Menschen sich mit psychischen Erkrankungen nicht auskennen, wissen sie nicht, was sie sagen sollen. Am Ende bemitleiden sie mich oder sie verstehen es überhaupt nicht.
Es tut mir leid, aber es geht mir kein bisschen besser, wenn man mir erzählt, dass es Leute gibt, denen es noch viel schlechter geht.
Manchmal versuchen sie, psychische Störungen mit normalen Stimmungsschwankungen zu vergleichen oder erzählen davon, wie sie mal Angst vor einem Auftritt oder einem Bewerbungsgespräch hatten. Dann versuchen sie, mir Ratschläge zu geben. „Geh spazieren! Es ist so ein schöner Tag!" oder „Manchmal muss man einfach positiv denken!" gehören zu den Sprüchen, die ich am wenigsten mag.
Oder die Leute versuchen, meine Beschwerden ins Verhältnis zu anderen zu setzen. Es tut mir leid, aber es geht mir kein bisschen besser, wenn man mir erzählt, dass es Leute gibt, denen es noch viel schlechter geht. Stattdessen fühle ich mich dann, als seien meine Gedanken nicht wahr. Und als gebe es keinen richtigen Grund, mich ängstlich und hilflos zu fühlen.
Diese unangenehmen Reaktionen sind nicht der einzige Grund, warum ich meine Geschichte nicht mit anderen Menschen teile. Es fällt mir auch schwer, darüber zu reden. Ich möchte nicht, dass alle Leute ihre Aufmerksamkeit auf meine seelische Gesundheit richten. Manchmal habe ich auch Sorge, dass die Leute denken könnten, ich suche verzweifelt nach Mitleid oder versuche, Ausreden für mein Verhalten zu finden. Meine Ängste halten mich davon ab, über meine Ängste zu sprechen.
Ein paar Monate später öffnete ich mich schließlich jemandem. Das Mädchen war der einzige Mensch, den ich je getroffen hatte, der auch Angst vor Erbrechen hatte.
In der weiterführenden Schule hatte ich beschlossen, einer meiner Freundinnen von meiner langen Liste an Diagnosen zu berichten. Es ging mir besonders mies, ich wollte erklären, warum ich mich so komisch benahm, und ich vertraute ihr. Doch bevor ich Gelegenheit dazu hatte, erzählte sie mir, dass ihr Laptop so „bipolar" reagiere. Er ging immer von selbst aus, wenn sie dabei war, Filme auf Netflix zu streamen. Ich bin froh, dass ich ihr nichts gesagt habe. Sie war nicht der richtige Mensch dafür, aber trotzdem wollte ich mit jemandem reden.
Ein paar Monate später öffnete ich mich schließlich jemandem. Das Mädchen war der einzige Mensch, den ich je getroffen hatte, der auch Angst vor Erbrechen hatte. Und ich fühlte, dass sie mich wirklich verstand. Ich tat alles, um sie nicht zu belästigen und wandte mich nur an sie, wenn ich wirklich einen Rat oder Unterstützung brauchte. Eine Zeitlang funktionierte das auch.
Sie erzählte auch von sich und stellte mir Fragen, ich merkte, dass sie sich wirklich kümmerte. Eines Tages dann antwortete sie nicht mehr auf meine Nachrichten. Es tat weh, dass sie meine Geheimnisse genommen hatte und einfach gegangen war.
Nicht jede Reaktion ist so dramatisch, aber auch die kleinen tun weh: Als ich einer Freundin erzählte, dass ich Angst habe, mich übergeben zu müssen, rollte sie mit den Augen. Eine Frau sagte mir, dass Depression nur eine Frage der inneren Einstellung sei und ich versuche solle, meine Denkweise zu ändern. Leute, die so reagieren, schaffen es, dass ich mich noch mehr schäme.
Solche verurteilenden Reaktionen tun weh, aber sie machen die interessierten noch wertvoller. Diese hübschen Menschen verstehen, dass eine psychische Erkrankung keine Schwäche ist. Sie sehen, dass sie einen isoliert. Niemand weiß, was im Kopf eines anderen vorgeht.
Einen Kampf in deinem Kopf zu führen ist anstrengend und unausweichlich. Aber sogar nur wenige Worte können einem Menschen mehr helfen, als du denken magst. Sei für andere da. Ermutige sie. Sie verdienen es!
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