Wunschkind mit Hindernissen
Als sie nach zwei Jahren immer noch nicht schwanger war, wurde bei Angela eine Endometriose festgestellt. Doch inzwischen erwartet sie schon ihr zweites Kind.
Endometriose: Erkrankung kann zu Sterilität führen
Sie hatten fast nicht mehr daran geglaubt, dass auch in ihrem Haus einmal lautes Kindergeschrei zu hören sein würde. Angela und Andreas Wasserberg* brauchten mehr als Geduld und Spucke, um doch noch zu ihrem Traumkind zu kommen.
Eigentlich schien alles in Ordnung
Angela Wasserberg (33) hatte mit 24 Jahren die Pille abgesetzt. Sie war regelmäßig zum Frauenarzt gegangen, der ihr jedes Mal versicherte, dass bei ihr alles in Ordnung sei. Fast zwei Jahre probierten sie und ihr Mann Andreas jedoch, ein Baby zu bekommen, ohne dass sich etwas tat. So langsam wurden sie ungeduldig. Die Ursache für den bisher unerfüllten Kinderwunsch kam dann ganz plötzlich und völlig unerwartet zutage - Angela begann eines Tages, aus dem Bauchnabel zu bluten. Die Diagnose der Ärzte: Nabelbruch. Zunächst nichts Ungewöhnliches. "Ich sollte dann eine kleine Operation bekommen, bei der der Bruch genäht wird", erinnert sich Angela. Während der OP stellten die Ärzte fest, dass sich unter dem Bauchnabel eine große Zyste befand, die so stark nach außen gedrückt hatte, dass es schließlich zu dem Nabelbruch gekommen war. Ein noch während der OP herbeigerufener Gynäkologe stellte schließlich die Diagnose: schwere Endometriose mit Zystenbildung.
Endometriose ist eine recht häufige Erkrankung bei Frauen und führt auf lange Sicht oft zu Sterilität. Zellen der Gebärmutterschleimhaut siedeln sich außerhalb der Gebärmutter im Bauchraum an. Sie können verschiedene Bauch- und Unterleibsorgane besiedeln. Da sie den Monatszyklus der Frau genau wie die Gebärmutterschleimhaut mitmachen, bluten sie allmonatlich leicht oder stärker in die Bauchhöhle. Da Schleimhautfetzchen und Blut nicht abfließen können, entstehen manchmal blutgefüllte Hohlräume, sog. Schokoladenzysten. Endometriose kann Unfruchtbarkeit verursachen, wenn sich die Zellen zum Beispiel an oder in den Eileitern ansiedeln. Sie können deren Beweglichkeit (wichtig beim Transport einer Eizelle) oder deren Durchlässigkeit behindern (so dass keine Samenzellen zum Ei gelangen können und das Ei nicht in die Gebärmutter gelangen kann).
(Namen von der Redaktion geändert)
Ein jahrelanger Hürdenlauf beginnt
Aber zurück zu Angela Wassermann. "Plötzlich passten alle Teile des Puzzles zusammen", erzählt sie, "die starken Periodenschmerzen, die ich immer hatte, und die Tatsache, dass es mit dem Schwangerwerden nicht klappte." Was nun folgte, war ein jahrelanger zermürbender Hürdenlauf im Kampf gegen die Krankheit, die an sich nicht gefährlich ist, aber Kinderlosigkeit und starke Beschwerden mit sich bringen kann. Bei der Operation wurden zunächst so viele Endometrioseherde wie möglich entfernt. Anschließend wurde Angela mittels einer Hormontherapie in eine Art künstlicher Wechseljahre versetzt, die Östrogenproduktion in den Eierstöcken wurde unterdrückt. Da die Endometriosezellen östrogenabhängig sind, sollen sie auf diese Weise verödet werden. Diese Behandlung zog sich mit Pausen über anderthalb Jahre hin. "Ich hatte starke Wechseljahresbeschwerden, schwere nächtliche Schweißausbrüche und Schlaflosigkeit. Am Ende wuchsen mir sogar Haare auf der Brust und die Stimme wurde tiefer", erinnert sich Angela rückblickend mit Schaudern. "Sogar die Psyche veränderte sich, ich war nicht mehr ich selbst. Alles wegen der männlichen Hormone, die gegeben wurden."
Krampfadern an ungewohnter Stelle
Doch auch Andreas kommt nicht ganz ungeschoren davon. Er muss zunächst eine Spermaprobe abgeben, ein Spermiogramm wird erstellt. Da es nicht optimal ausfällt, wird nach der Ursache geforscht. Schließlich stellt sich heraus, dass eine erweiterte Vene (Krampfader) in einem der Hoden zuviel Wärme an das umliegende Gewebe abgibt, die Spermienproduktion wird beeinträchtigt. Andreas bekommt Tabletten, die die Temperatur in den Hoden senken sollen. Eine kleine Operation beseitigt die Krampfader – jedoch nur auf Zeit, wie die Ärzte warnen.
Kopf-Faktor spielt immer größere Rolle
Als sich trotz beiderseitigen Einsatzes nichts tut, ist die Stimmung der zwei auf dem Nullpunkt angelangt. Doch nicht nur medizinische Probleme sind daran schuld: "Irgendwann spielt auch der Kopf-Faktor eine immer größere Rolle", beschreibt Angela das Problem. "Man blockiert sich selbst, ist so auf das Schwangerwerden fixiert, dass es allein schon deshalb nicht klappt." Angela und Andreas fangen an, über eine Adoption nachzudenken. Andreas kann sich mit dem Gedanken nicht recht anfreunden, trotzdem planen beide, im nächsten Sommer zum Jugendamt zu gehen, um Erkundigungen einzuholen.
Ein "Stärkungsmittel" der besonderen Art
Inzwischen sind zweieinhalb Jahre seit dem Nabelbruch vergangen. Angela hat bereits die fünfte Bauchspiegelung hinter sich, weitere werden folgen. Immer wieder müssen Zysten und Endometrioseherde entfernt werden, da die Hormontherapie nicht anschlägt. Irgendwann winken die Ärzte ab, beenden die Hormonspritzen wegen der nicht mehr tragbaren Belastung für den Körper. "Man sagte mir, es habe keinen Sinn mehr, noch weiterzumachen. Ich sollte es mal ohne alles probieren", berichtet Angela.
Drei Monate später kommt ein Tag, den Angela nie vergessen wird: Schon seit einiger Zeit fühlt sich die inzwischen 28jährige schlapp, elend und energielos, fast wie zu Zeiten der Hormonbehandlung. "Ich ging zum Arzt und fragte nach einem kreislaufstärkenden Mittel. Er untersuchte mich, grinste und sagte: Sie kriegen ein Stärkungsmittel. Sie kriegen aber auch noch etwas anders – nämlich ein Baby!" Angela kann es nicht glauben, sie ist nach all den Jahren tatsächlich schwanger! "Nach der Hormontherapie sagte man mir, es könne noch ein Weilchen dauern, ehe ich wieder meine Monatsregel bekomme. Ich hatte mich daher nicht gewundert, dass die Regel noch nicht wieder eingesetzt hatte." Als sie ihrem Mann von der tollen Nachricht erzählt, glaubt ihr Andreas zunächst kein Wort. "Er dachte, ich will ihn auf den Arm nehmen. Er hatte eigentlich schon resigniert und erst wirklich geglaubt, dass ich schwanger bin, als ich ihm ein paar Tage später den Mutterpass gezeigt habe."
"Seien Sie froh, dass Sie überhaupt ein Kind haben!"
Angela hat gehofft, dass ihre Schwangerschaft – wie es in rund 70 Prozent der Fälle auch ist – die Endometriose zum Verschwinden bringt. Doch schon wenige Monate nach der Entbindung steht die nächste Operation an, die Zysten sind wiedergekommen. Angela ist es leid, sie hat inzwischen aufgehört, die Eingriffe zu zählen. Ein zweites Kind? Die Ärzte winken ab. Auch als Angela einen Arzt findet, der ihr Mut macht und eine weitere Schwangerschaft nicht für ausgeschlossen hält, kann Angela nicht recht daran glauben.
Doch die Natur nimmt nicht nur ihren eigenen Lauf, sondern auch alle Hindernisse wie im Flug: Während dieser Artikel entsteht, ist Angela gerade wieder in der 31. Woche schwanger. "Das ist der größte Witz an der Sache, dass die meisten Ärzte uns sagten, seien Sie froh, dass Sie überhaupt ein Kind haben. Sie machten uns keinerlei Hoffnung, jemals noch ein weiteres Kind bekommen zu können", erzählt sie lachend.