Lieben, Lügen und Betrügen
Wenn die Luft aus einer Beziehung raus ist, fangen viele Partner an, nach rechts und links zu schielen. Was ist so reizvoll an einem Seitensprung?
Eine leidenschaftliche Sucht - der Seitensprung
Wo sind nur die "Schmetterlinge im Bauch" geblieben? Jenes aufregende und begierige Gefühl, das sich automatisch einstellte, sobald der Partner nur in die Nähe kam? Inzwischen reizt die Nachtlektüre mehr als leidenschaftliches Bettgeflüster mit dem einst heißbegehrten Lover. Die Liebe ist da, aber der eigentliche Kick, der die Partnerschaft auch im Sog des Alltäglichen zum erotischen Abenteuer werden lässt, fehlt.
Manchmal ist es wie früher, einfach traumhaft – aber zu selten. Resigniert von der Vergänglichkeit des Verliebtseins suchen Frauen wie Männer sexuelle Abwechslung und Befriedigung außerhalb der festen Beziehung.
Längst ist der Seitensprung keine Domäne verheirateter Männer mehr. Auch Ehefrauen finden ihre Befriedigung in sexuellen "Fremdgängen". Die auch im Internet angebotenen Seitensprung-Ratgeber und –Vermittlungsagenturen machen deutlich: Der Bedarf ist riesig. Auch die "heimliche Liebe" wird schonungslos kommerzialisiert. Willige Seitenspringer lassen sich – natürlich gegen Bezahlung – in Karteien aufnehmen, in der Hoffnung, dass die perfekte Geliebte oder der perfekte Liebhaber gefunden wird. Man stelle sich nur vor: Auf der Suche nach einem "Adonis" findet eine Frau das Profil ihres Gatten - in einer Seitensprung-Agentur ...
Lust auf heimliche Liebe
Es gibt viele Motive fürs Fremdgehen:
- Neugierde nach etwas Neuem,
- der Reiz des Verbotenen,
- die Suche nach Selbstbestätigung,
- der Beweis noch begehrenswert zu sein,
- auch mit 50 auf andere noch attraktiv zu wirken,
- sexuelle Unzufriedenheit,
- oder schlichtweg eine "gute Gelegenheit" für einen außerhäuslichen One-Night-Stand.
Der renommierte Psychotherapeut Wolfgang Schmidbauer thematisiert in seinem Buch "Die heimliche Liebe. Ausrutscher, Seitensprung, Doppelleben" (erschienen im Rowohlt Verlag) das Spannungsverhältnis von Liebe und Treue, Glück und Verrat. Er geht der Frage nach, wie es zu Seitensprüngen kommt und wie man mit Lüge und Schuldgefühlen umgeht. Der Autor beschreibt eine Affäre als etwas Rauschhaftes, sie sei eines der letzten Reservate von Wildnis in der Zivilisation. Die offizielle und dauerhafte Beziehung reglementiere hingegen.
Im Rausch der (Schuld-)Gefühle
Ob sich die Wünsche, die der Untreue sich von der geheimen Liebesbeziehung erhofft, dann auch tatsächlich erfüllen, ist ungewiss. Bei einigen bleibt nach dem Rausch der Gefühle sicherlich nur der schale Beigeschmack des schlechten Gewissens. Denn eigentlich möchten die wenigsten ihre Beziehung gefährden, wollen den anderen nicht verletzen. Schließlich hat man sich gegenseitige Achtung, Liebe und Vertrauen versprochen. Und daher wird alles getan, damit der Partner von dem Verhältnis nichts erfährt, der Vertrauensbruch geheim bleibt.
- "Ich besuche am Wochenende meine Freundin in Hamburg",
- "Schatz, heute Abend komme ich erst später, wir haben nach Feierabend noch eine wichtige Besprechung",
- "Ich habe den Zug verpasst, der nächste fährt erst morgen"
Diese und ähnliche Ausreden sollen die verbotene Tat vertuschen. Häufig müssen Freunde, Bekannte, Sportkameraden und Kollegen herhalten, um das Liebesabenteuer zu decken. Lügengerüste werden konstruiert. Und je komplizierter und verflochtener diese sind, desto eher riecht der Partner Lunte, bröckelt die mühsam aufrecht gehaltene Fassade einer guten Beziehung oder Ehe.
Brenzlig wird es aber vor allem dann, wenn das "Verhältnis" nicht mehr an zweiter Stelle stehen möchte, eine legale Beziehung einfordert. Lässt sich dann noch ein Schluss-Strich ziehen, ohne das die geheimgehaltene Dreiecksbeziehung auffliegt? Die emotionale Zwickmühle mahlt tief, hinterlässt Spuren im eigenen Seelenfrieden und verkehrt den ursprünglichen Wunsch nach Glückseligkeit ins Gegenteil.
Soll die Nebenbeziehung eine Hauptbeziehung und die eigentliche (offizielle) Partnerschaft beendet werden? Ist es das, was Mann oder Frau wollte? Eigentlich ging es anfangs doch weniger um etwas "Festes", als vielmehr um sexuelle Lustbefriedigung. Die Affäre zu beenden, heißt aber auch, die Gefahr in Kauf zu nehmen, dass der oder die Zurückgesetzte sich rächt. Der Kinofilm "Eine verhängnisvolle Affäre" zeigt, wie bitterböse ein erotisches Abenteuer enden kann.
Das Leben nach der Affäre
Wolfgang Schmidbauer rät, die Affäre gegenüber dem Partner zu verheimlichen, um diesen und dessen Intimsphäre zu schützen. Die Idealisierung von Offenheit bewertet der Psychotherapeut als naiv, da Geständnisse immer verletzten und den Partner belasten würden. Was passiert aber, wenn die Beziehung trotz strengster Geheimhaltung auffliegt? Wohl kaum einer bleibt bei einer solchen Entdeckung noch cool. "Wie konntest du mir das nur antun?", "Du Schwein", Warum nur?" – die Betrogenen reagieren gekränkt, mit Unverständnis, bekommen Wutausbrüche, sind zutiefst getroffen.
Wolfgang Schmidbauer hält es in diesem Falle für sinnvoll, nicht über die Affäre selbst zu sprechen, sondern über das "Warum". Die Gründe für das Fremdgehen offen zu legen, könne produktiv für die Beziehung sein, weil dann Unzufriedenheiten auf den Tisch kämen, Ängste aus- und Entwicklungsmöglichkeiten angesprochen würden. Ob der Vertrauensbruch jemals wieder richtig gekittet werden kann ist fraglich.
Schmidtbauer empfiehlt hier: Zuwendung. Um Menschen (wieder) zu gewinnen müsse man vor allen Dingen liebevoll zu ihnen sein. Aus der Praxis weiß er, dass es viele Paare gibt, die trotz der Seitensprünge ihre Beziehung nicht beenden und an ihr arbeiten. Gleichwohl gebe es immer wieder Situationen, in denen die Angst ausbreche und die Partnerschaft wackelt. Die Frage "War es das wert?", stellt sich derjenige, der seinen Partner betrogen hat, dann allerdings zu spät.
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