Vom Spiel zum Internet
Was haben Nutella und Computerspiele gemeinsam? In rauen Mengen genossen machen sie süchtig. Ein Interview mit dem Medienexperten Thomas Feibel über den richtigen Umgang mit Games und Internet.
Interview mit dem Medienexperten Thomas Feibel
Eltern betrachten oft mit Sorge, wenn ihre Kids ständig vor Computerspielen hocken. Machen die Games eigentlich süchtig?
Thomas Feibel: Alles macht süchtig: Computerspiele, Gameboy, Fernsehen und Nutella. Wie in allen Bereichen kann nur eines den Missbrauch verhindern: Die elterliche Aufsichtspflicht. Schließlich muss ja auch Fernsehen reglementiert werden. Oder wer würde sein Kind fünf bis sechs Stunden lang vor der Glotze lassen? Es gibt aber noch die andere Seite. Denn viele Eltern benutzen den Computer und den Fernseher als Babysitter. Wenn dann Sucht und andere Konflikte entstehen, kann das weder dem Medium noch den Kindern vorgeworfen werden.
Gibt es verlässliche Zahlen, wie viele Kinder "abhängig" sind?
Mir sind keine bekannt, zumal Zahlen immer den Demoskopiecharakter haben. Behauptet jemand, dass 70 Prozent aller Parlamentarier faul sind, findet sich sofort wieder ein Institut, das das Gegenteil behauptet. Computersucht ist sicher ein ernstes Problem, aber es kommt meines Erachtens nur bei Jugendlichen vor, die ständigen und ungehinderten Zugang zur Kiste haben.
Was können Eltern aus Ihrer Sicht tun, um die Zeit vor dem Kasten auf ein sinnvolles und gesundes Maß zu reduzieren?
Knallhart reglementieren. Wie gehen denn Eltern mit dem Fernsehen um? Einmal die Woche? Einmal am Tag "Sesamstraße"? Kinder sind ganz glücklich, wenn sie ihre festen Zeiten haben, aber beim Computer würde ich noch ein wenig stärker drauf achten, weil das hier ein interaktives Medium ist. Das heißt, die Kinder müssen denken und agieren, sonst passiert nichts. Und das ist ganz schön anstrengend, anstrengender als reiner Konsum von Fernsehprogramm und Hörkassetten.
Computerspiel ist sicherlich nicht gleich Computerspiel. Können Sie uns Eltern Kriterien an die Hand geben, woran man "gute" Software erkennen kann?
Woran erkennt man ein gutes Buch oder einen guten Film? Da müssen wir uns schon selbst vertrauen. Wichtig ist, dass die CD-ROM Dienste leistet, die ein anderes Medium nicht kann. Interaktivität ist mehr als weiterblättern. Die meisten Stadtbüchereien sind inzwischen mit ausleihbarer Software ausgestattet. Man muss nicht immer alles sofort kaufen. Wichtig ist, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen. Die Alterskategorien sind weitgehend in Ordnung, auf jeden Fall sollten die Kinder nur mit Programmen umgehen, die für ihre Altersgruppe vorgesehen sind, um sie nicht zu überfordern. Eltern müssen nicht mitspielen, aber mich würde es schon interessieren, was mein Kind spielt.
Wo ein PC steht, ist oft ein Internet-Zugang nicht fern. Wie können Eltern verhindern, dass ihre Sprösslinge dort surfen, wo sie nicht hin sollen? Zum Beispiel auf Porno-Sites.
Im Netz gibt es tatsächlich böse Seiten. Aber Pornographie gibt es in allen Medien, und immer hat sie - was gerne unterschätzt wird – dem Medium zum Durchbruch verholfen, wie etwa bei der VHS Kassette. Meiner Meinung nach sollten Eltern ihre Kinder ins Internet und seine Funktionen einführen, was aber die meisten gar nicht können und dann schnell mit der "Sex-Seiten" Argumentation kommen. Es bleibt uns aber nichts anderes übrig, als uns auseinanderzusetzen. Auf alles bereiten wir unsere Kinder vor, bringen ihnen lesen und schreiben bei, zeigen ihnen, wie Konflikte ausgetragen werden können, aber im Web müssen sie sich dann alleine herumschlagen. Das ist nicht richtig. Wer seine Kinder ins Internet einführt, mit ihnen spricht, erreicht mehr als jedes Schutzprogramm, die ohnehin nichts taugen und unter sportlichen Gesichtspunkten gerne umgangen werden. Das beste Schutzprogramm ist Vertrauen. Sprechen Sie mit Ihren Kindern und klären Sie sie auch über die schlechten Seiten des Webs auf.
Oft wissen Kinder besser im WWW Bescheid als ihre Eltern. Wie können sich Mama und Papa fit fürs Internet machen?
Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren. Inzwischen können schon Stadtbüchereien selbst in kleinsten Städten mit einem Internetcomputer aufwarten. Ein Kurs kann sicher auch nichts schaden, aber entscheidend ist die Praxis. Noch ein letzter Satz: Wer seine Kinder nicht auf das Internet vorbereitet, wäre mit Eltern vergleichbar, die ihren Kindern vor 30 Jahren verboten hätten, ins Lexikon zu sehen.
Thomas Feibel leitet das "Büro für Kindermedien - Berlin" und ist der Autor des "Kinder-Software-Ratgeber", der seit 1996 jährlich erscheint. Seit 2002 verleiht er den deutschen Kindersoftwarepreis "Tommi"
Übrigens: Das Portal www.mediengewalt.de bietet eine umfangreiche Linksammlung zum Thema Gewalt in den Medien und ihre Auswirkungen auf unsere Kinder.