Lernen in den Ferien: Ja oder Nein?
Vokabeln pauken, Matheformeln lernen, Sprachkurse besuchen: Für viele Schüler geht die Arbeit in den Sommerferien weiter. Doch Experten raten dringend von der Lernerei in den Ferien ab – es sei denn, die Versetzung ist gefährdet oder es sind große Lücken vorhanden.
Sommerferien: Nachhilfe statt chillen
Seine Ferien hat sich Robin, der 13-jährige Sohn meiner Nachbarin, definitiv anders vorgestellt: Weil er sowohl in Mathe als auch in Physik ein „mangelhaft" auf dem Zeugnis bekommen hat, steht seine Versetzung in Frage und er kann sich nur durch eine Nachprüfung am Ende der Ferien retten. Vorausgesetzt, er paukt ausdauernd, um entstandene Lücken zu schließen. „Ganz toll!", mault Robin. „Ich mache zwei Wochen Urlaub mit der Familie. Den Rest der Zeit muss ich zur Nachhilfe und zu Hause weiter lernen, statt zu chillen und Freunde zu treffen."
Versetzung gefährdet: Immer mehr Kinder lernen in den Ferien
Was Robin nicht weiß: Beim Lernen in den heiß ersehnten Sommerferien befindet er sich in bester Gesellschaft. Nach einer vom Online-Lernspezialist scoyo beauftragten und repräsentativen Umfrage, für die das Meinungsforschungsinstitut forsa 1.002 Eltern von schulpflichtigen Kindern befragte, lernen 59 Prozent der Kinder auch in den Ferien. Dabei steigt die Intensität derer, die in der freien Zeit pauken, weiter an: 24 Prozent (2016 waren es 20 Prozent) lernen regelmäßig in den Ferien, 38 Prozent (2016 waren es 34 Prozent) lernen sogar mehr als zwei Stunden die Woche. Beliebteste Hilfsmittel bei den Kindern sind dabei digitale Medien, Übungshefte – und die Eltern.
Kinder aus bildungsfernen Familien stehen unter Druck
Interessantes Detail dabei: Je geringer der Bildungshintergrund der Eltern, desto mehr lernen die Kinder für die Schule. Fast die Hälfte der Eltern mit einem bildungsfernen Hintergrund treibt dabei der Wunsch an, dass ihre Kinder „einen möglichst hohen Schulabschluss erreichen". Das sehen Experten durchaus kritisch: „Wenn eine Nachprüfung ansteht, um doch noch die Versetzung zu schaffen, muss Lernen und Wiederholen sein. Sinnvoll sind dann etwa ein bis zwei Wochen mit ein bis zwei Stunden Lernzeit pro Tag, die vereinbart und geplant werden", so Stefan Drewes vom Berufsverband Deutscher Psychologen. Jüngere Kinder im Grundschulalter sollten maximal eine Stunde pro Tag lernen. Die zweite Hälfte oder das letzte Drittel der Ferien sind dafür besonders gut geeignet. Denn wenn die Kinder schon ein paar Erholungswochen hinter sich haben, ist die Motivation wieder größer. Außerdem bleibt das Gelernte dann besser im Gedächtnis.
Ferien sind zum Erholen da
Alle anderen Schüler bräuchten aber eine ausreichend lange Phase, in der sie abschalten können. Denn Ferien sind wirklich zum Erholen, Abschalten und Faulsein da. Das ist heute wichtiger denn je, weil der Druck auf die Kinder und der damit verbundene Stress vor allem durch das so genannte Turbo-Abi erheblich gestiegen ist. Das bestätigen die Antworten der Eltern in der forsa-Umfrage: 67 Prozent sind der Meinung, der Schulstoff müsse gefestigt werden, nur für ein Drittel ist ein konkreter Nachholbedarf Antrieb für das Lernen ihrer Kinder in den Ferien. Doch wie jeder Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Urlaub hat, haben auch Schulkinder das Recht auf Ferienzeit ganz ohne Verpflichtungen – ohne Stundenplan, Hausaufgaben und von Vorbereitungen auf Klassenarbeiten befreit.
Sommerferien: Endlich Zeit für Hobbies
Die unverplante Zeit in den Sommerferien ist jedoch auch eine gute Gelegenheit für Kinder, ihren Hobbies und Interessen ausführlich nachzugehen oder neue Dinge auszuprobieren, wozu im verplanten Schulalltag wirklich keine Zeit übrig ist. „Ein gutes Mittelding aus Freizeit und einem geplanten Ferienteil, der neue Eindrücke und Erlebnisse ermöglicht, ist hier optimal", erklärt Schulpsychologe Stefan Drewes. Ein angenehmer Nebeneffekt für berufstätige Eltern: Wenn das Kind ein Ferienfreizeitprogramm besucht, ist es gut versorgt und die Eltern müssen sich nicht noch um zusätzliche Betreuung durch die Familie oder das Freunde-Netzwerk kümmern.
Am besten suchen Eltern rechtzeitig vor den großen Ferien passende Angebote aus, die den Neigungen der Kinder entsprechen: Vor allem für die Altersgruppe zwischen 6 und 12 Jahren finden sich in nahezu allen Städten und Gemeinden viele verschiedene Ferienprogramme – von Kreativ- und Musik-Workshops über Sport-Training bis hin zu Sprachkursen für Fans von Fremdsprachen ist wirklich für jeden das Passende mit dabei.
Ferienziel: Selbstbewusstsein stärken
Doch auch, wenn viele Familien die schulischen Leistungen in den Ferien im Blick behalten – noch wichtiger finden sie es, dass sich ihre Kinder in der Zeit auch persönlich weiterentwickeln: 95 Prozent der Eltern in der scoyo/forsa-Umfrage legen Wert darauf, dass ihre Kinder soziale Kompetenzen ausbauen und ihr Selbstbewusstsein stärken. Wie das geht? Hier einige Tipps dazu:
4 Dinge, die für mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen sorgen
- Faktor Zeit: Gib deinen Kindern in den Ferien das, was ihnen im Alltag am meisten fehlt: Zeit, die sie selbst gestalten können. Sie ist die Basis für die Entwicklung von Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit.
- Lobe dein Kind – nicht wegen jeder Kleinigkeit, sondern wenn es sich angestrengt hat. Das gibt ihm ein positives Gefühl und den Mut, Herausforderungen ohne große Angst vor dem Scheitern anzunehmen. Sätze wie „Ich bin sicher, dass du das schaffst", wirken da Wunder.
- Kinder brauchen Abenteuer und Aufgaben, die sie sich selbst stellen. Mit jeder neuen Herausforderung, die sie meistern, erleben sie ihr Können und ihre Kraft.
- Spielen ohne Aufsicht in der Gruppe mit anderen Kindern stärkt die soziale Kompetenz und Eigenständigkeit. Ohne Erwachsene, die ständig eingreifen und korrigieren.
Die Ergebnisse auf einen Blick
Quelle: scoyo