Hobbys: So bleibt dein Kind dabei
Bei vielen Freizeitaktivitäten ihrer Kinder beobachten Eltern Folgendes: Nach anfänglicher Euphorie wird das Training oder das Üben - für alle Beteiligten - zur Last. Wie entwickeln Kinder jetzt das nötige Durchhaltevermögen und wann sollte man doch über eine Abmeldung nachdenken?
Erste Euphorie hält meist nicht an
Das eine Kind möchte in Ballacks Fuß(ball)stapfen treten, das andere sich beim Kampfsport dem Actionheld Jacky Chan annähern. Andere Kinder wiederum möchten ihre neue Geige vor Glück am liebsten mit ins Bett nehmen oder vergessen beim seligen Klimpern auf dem Klavier die Zeit. Stolz beglückwünschen sich die Eltern zu der Entscheidung, das Kind für dieses Hobby anzumelden. Doch der Tag, an dem die erste Begeisterung von der Ernüchterung eingeholt wird, kommt fast immer: Da vergisst das Kind das Üben des Instruments und begibt sich auch nach entsprechender Erinnerung nur maulend an selbiges. Oder der Fußballnachwuchs hat keine Lust aufs Kicken, sondern möchte lieber schlaff im Wohnzimmer abhängen und Wii spielen.
Motivation – ohne die Eltern geht’s nicht
Solche Durchhänger sind fast immer unvermeidlich. Damit ein Kind aber durch diese Talsohle gut hindurch kommt, sind Lehrer, Trainer und auch die Eltern gefragt: Sie alle sollten möglichst gemeinsam versuchen, das Kind zum Weitermachen zu animieren. Denn Kinder können sich in solchen Phasen kaum selbst motivieren, was umso mehr gilt, je jünger sie sind.
Ursache des Durchhängers aufspüren
Damit Eltern und Lehrer aber ihrem jungen Talent den richtigen Anschubs geben können, muss die Ursache für die Übungs- oder Trainingsunlust aufgespürt werden. Oft ist es bloß die tägliche Mühe des Übens, die nach der ersten Begeisterung ernüchtert. Jetzt sollten die Erwachsenen das Kind nicht allein lassen. Totale Freiwilligkeit und passives Abwarten führen leicht zum vorzeitigen Ableben des Hobbys. Spielt das Kind ein Musikinstrument, ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Vereinbarung: Geübt wird jeden Tag, dafür ist die „Pflichtzeit“ hierbei nur kurz, zum Beispiel 10 Minuten bei Anfängern oder 20 Minuten bei Fortgeschrittenen. Reißt ein Kind diese Zeit nur unkonzentriert herunter, kann es auch nach Inhalt statt nach Zeit üben: Es nimmt sich täglich eine kleine Aufgabe vor, zum Beispiel, eine bestimmte Stelle nochmal zu üben, bis sie „flutscht“.
Gemeinsam kann auch festgelegt werden, wann am Tag die beste Zeit zum Üben ist: Nach den Hausaufgaben, abends vor der Fernsehzeit, nach einer kleinen Mittagspause etc. Eltern sollten nicht damit hadern, falls sie das Kind täglich kurz an die Vereinbarung erinnern müssen.
Auf der Suche nach der verlorenen Freude
Ein Mindesteinsatz beim Üben ist auch wichtig, damit die verloren gegangene Freude am Hobby überhaupt eine Chance hat. Denn Freude braucht Erfolgserlebnisse, und die gibt es nicht, wenn ein Kind kaum mehr übt. Damit kein Teufelskreis aus Unlust und Misserfolg entsteht, dürfen die Ziele nicht zu hoch gesteckt sein. „Man sollte sich immer kleine, überschaubare Aufgaben stellen, die in der vorgenommenen Zeit lösbar sind. Das nennt man auch ‚Little Step Challenge‘ (engl. Herausforderung der kleinen Schritte)“, erklärt Musikschullehrer Johannes Gretz aus Augsburg in seinen Übungstipps. Der Lehrer kann immer wieder auch ein paar leichtere, rasch zu lernende Stücke einschieben. Am besten natürlich etwas, dass den Musikgeschmack des Kindes gerade besonders trifft. Kleine Ziele, die stolz machen, können aber auch ein Vorspiel vor Verwandten oder in der Schule sein, oder ein Kinderkonzert in der Musikschule.
Kinder wollen gesehen werden
Wer selbst ein Instrument gelernt hat, kann seinem Nachwuchstalent natürlich auch von den eigenen Erfahrungen berichten: wie schwer einem das Üben manchmal gefallen ist, dass es bald aber wieder mehr Spaß gemacht hat – zum Beispiel, als man eine Lieblingsmelodie aus einem Kinofilm oder einen Popsong endlich selbst nachspielen konnte.
Wenn das Kind dann übt, können Eltern zwischendurch einmal hereinschauen. Sie können fragen, was es als Hausaufgabe auf hat, sich etwas vorspielen und Schwieriges erklären lassen - auch wenn sie selbst das Instrument nicht beherrschen. So zeigen sie ihrem Kind: Wir interessieren uns für dich. Dabei sollten sie wenig kritisieren, sondern viel loben und Fortschritte erwähnen. Wenn ein Kind seine Eltern als „Publikum“ dagegen nicht so schätzt, können auch einfache Nachfragen Anteilnahme zeigen: „Gefällt dir das Stück, das du momentan auf hast? Mir gefällt daran besonders, dass es…“.
Nicht jede Trainingsstunde neu verhandeln
Bei einem sportlichen Hobby haben die Eltern zwar keinen direkten Einfluss aufs Training, können aber dennoch mit dem Nachwuchs die Abmachung treffen, dass das Training regelmäßig wahrgenommen wird. Zu viele Worte müssen sie hierbei nicht machen. Wer das Kind ausführlich vom Spaß zu überzeugen versucht, den das Training ihm bringen wird, diskutiert bald über jede Trainingsstunde. Dies gilt vor allem, wenn Eltern der Unlust nachgeben und das Kind zu Hause lassen. Päpstlicher als der Papst müssen Eltern trotzdem nicht sein: War ein Schulvormittag besonders anstrengend und ist das Kind ausgelaugt oder seelisch aus irgendeinem Grund angeschlagen, darf eine Ausnahme sein: „Wir bleiben ausnahmsweise zu Hause, weil ich glaube, dass es heute wirklich zu viel für Dich wäre, wenn Du jetzt noch zwei Stunden unterwegs bist.“
Und auch junge Sportler wollen gesehen werden: Vater und Mutter sollten nicht nur bei Turnieren und Prüfungen, sondern ruhig auch zwischendurch am Spielfeld- oder Hallenrand auftauchen und die Leistungen des Nachwuchses bewundern.
Die Umgebung muss stimmen
Doch auch die Umgebung spielt bei der Ausdauer eine oft unterschätzte Rolle. „Mein Zimmer ist im ersten Stock und dort steht auch das Klavier“, erzählt Elina (12), die fünf Jahre Klavierunterricht hatte. „Beim Üben sind mehrere andere Zimmer zwischen mir und den anderen, da habe ich mich immer so allein gefühlt.“ Viele Kinder sind am liebsten dort, wo auch der Lebensmittelpunkt der Familie ist. Ein Klavier steht also am besten nicht im Kinderzimmer, sondern im allgemeinen Wohnbereich, transportable Instrumente dürfen im Wohnzimmer oder der Küche geübt werden. „Im Erdgeschoss ist bei uns kein Platz für das Klavier. Vor allem habe ich schon seit längerer Zeit mehr Lust auf Klarinette gehabt, deshalb bekomme ich jetzt darin Unterricht. Ich übe jetzt immer im Wohnzimmer“, erzählt Elina.
Bei Ärger mit dem Trainer
Bei sportlichen Hobbys ist eher die soziale Umgebung wichtig, sprich die anderen Kinder oder der Trainer: Will ein Kind plötzlich nicht mehr hingehen, steckt oft „Knies“ dahinter. „Der Trainer hatte mir versprochen, dass ich beim Spiel gegen eine Auswärts-Mannschaft im Tor stehen darf. Und dann wurde ein anderer aus meinem Team Torwart. Der hat dann auch noch bei mir damit angegeben“, rückt Florian (9) auf Nachfragen heraus. Seitdem war bei ihm die Luft raus in Sachen Fußball. Ein Anruf beim Trainer ergab: Dieser hatte seine Zusage tatsächlich vergessen. Er stellte Florian gleich beim nächsten offiziellen Spiel ins Tor, was die Welt des jungen Fußballers wieder gerade rückte.
Manchmal verliert ein Kind die Freude am Hobby, weil der Coach oder Lehrer es zu wenig wahrnimmt, seine Fortschritte oder auch Probleme also zu wenig sieht. Wichtig ist auch, dass er dem Kind immer mal wieder etwas Neues zutraut, damit es sich bewähren und beweisen kann. Kinder lieben überdies Abwechslung: Wer wochenlang dasselbe Stück spielen muss, dem hängt es irgendwann zum Halse heraus. Eltern können mit dem Lehrer besprechen, dass ein Stück vorübergehend auf Eis gelegt und später wieder aufgenommen wird.
Wenn ein Kind schon älter ist, können Eltern es dazu ermutigen, bei Missstimmigkeiten selbst nachzuhaken. „Es ist immer dasselbe Mädchen, das bei uns die Reitabteilung mit ihrem Pferd anführen und an die ‚Tete‘ (Spitze) darf“, klagte Samira (12). „Dabei reite ich genauso lang wie sie.“ Ihre Mutter überredete sie dazu nachzufragen, ob sie die Abteilung auch mal anführen dürfe. Als Samira den Reitlehrer fragte, machte dieser ihr zur Auflage, dass sie vorher noch einmal genau lernt, wo sich in der Reitbahn die einzelnen Bahnpunkte befinden. Denn hier haperte es bei ihr noch.
Zu romantische Vorstellung vom Hobby
Wenn ein Kind aber schon nach sehr kurzer Zeit sein Hobby entsorgen möchte, sind die Ursache oft unrealistische Vorstellungen. Viele Aktivitäten kennen Kinder nur aus dem Fernsehen oder aus Büchern. Hier kicken Actionhelden böse Buben aus dem Bild oder Kinder bestehen mit ihren Ponyfreunden spannende Abenteuer. Von eintönigem Aufwärmtraining, von blauen Flecken beim Judo, von störrischen Ponys, die keineswegs von Natur aus nett zu Kindern sind, erfährt man nichts. Und dass auch Justin Bieber das coole Schrappen seiner E-Gitarre als Kind beim jahrelangen Gitarrenunterricht erlernt hat, steht ihm nicht auf die Stirn geschrieben. Das Ankommen in der Realität kann da für ein Kind ernüchternd ausfallen.
Hier sollten Eltern den Nachwuchs auffangen. Man kann mit dem Kind etwa vereinbaren, dass es erst abgemeldet wird, falls es auch nach drei weiteren Stunden keine Freude am Hobby mehr hat. Kinder brauchen etwas Zeit, um ein Hobby wirklich kennenzulernen. Wirft ein Kind allzu schnell das Handtuch, kann es nicht die Erfahrung machen, dass das Überwinden kleinerer Anfangshürden Früchte trägt. Zwar sollte es die Möglichkeit haben, verschiedene Aktivitäten auszuprobieren, doch das Tempo darf nicht zu hoch sein. Vor einem Wechsel kann die Nase ruhig tiefer ins jeweilige Hobby gesteckt werden.
Manchmal ist ein Neustart nötig
Doch manchmal hat es tiefer gehende Gründe, wenn ein Kind die Lust am Hobby verliert. Da Kinder ihren Eltern gefallen und sie nicht vor den Kopf stoßen möchten, ist bei der Ursachenforschung auch Ehrlichkeit gefragt: Hat das Kind wirklich gesagt, dass es Klavierunterricht haben möchte - oder hat sich das von selbst so ergeben, weil ein teures Klavier im Haus steht? Und hatte das Kind Gelegenheit, auch in andere Sportarten als das Go-Kart-Fahren hinein zu schnuppern, oder kam dies für den rennsportbegeisterten Vater gar nicht in Frage?
Eltern können vor der Wahl des Instruments mit dem Kind Probestunden nutzen, wie sie die meisten Musikschulen anbieten, oder zu deren Kinderkonzerten gehen. Viele junge Zuhörer äußern hier spontan Interesse für ein bestimmtes Instrument. Auch, wenn ein Kind bereits ein Instrument spielt, seine Übe-Unlust aber anhält, können Eltern einen solchen Neustart versuchen: noch einmal ganz offen sein und das Kind selbst herausfinden lassen, welches Instrument ihm liegt. Auch fast alle Sportvereine oder -schulen bieten vor Vertragsabschluss Schnupperstunden an.
Kommt beim Kind aber trotzdem kein wahrer Enthusiasmus auf, sollten Eltern ihm kein Hobby aufdrängen. Kinder bekommen auch durch das (von Soziologen hoch gelobte) freie Spiel, durch Naturerfahrungen, den Umgang mit Freunden, aber auch durchs Lesen, Fahrrad fahren, zweckfreie Schwimmbadbesuche usw. ausreichend Anregung.
Der richtige Sport beim falschen Trainer
Ein Neustart kann aber auch aus zwischenmenschlichen Gründen nötig werden: Wenn die Chemie zwischen Trainer und Kind dauerhaft nicht stimmt, wenn der Trainer desinteressiert ist, sich nicht durchsetzen kann oder umgekehrt zu aggressiv ist, dann kann ein Wechsel des Vereins helfen. Gleiches gilt für Instrumentallehrer: Vielleicht entspricht der Musikgeschmack des Lehrers nicht dem des Kindes, das seine jazz-lastigen Stücke einfach nicht mehr leiden mag. Vielleicht ist er oder sie auch zu streng oder legt zu viel Wert auf die trockene Technik, so dass der musikalische Ausdruck und das Gefühl zu kurz kommen. Auch hier kann es richtiger sein, den Lehrer zu wechseln als das Instrument. Zuvor sollten Eltern versuchen, das Problem mit dem Coach oder Lehrer gemeinsam zu lösen.
Pubertät – kein Platz mehr fürs Hobby?
In der Pubertät herrscht im Hobby oft eine besonders starke Flaute. Der Teen ist jetzt mit anderem beschäftigt – mit sich selbst, dem Beeindrucken des anderen Geschlechts, dem Ausprobieren von Verbotenem, mit regelmäßig aufwallendem Weltschmerz. Doch auch jetzt lohnt es sich, den Nachwuchs etwas zu pushen. Denn die Kunst oder auch der Sport helfen über manches seelische Tiefdruckgebiet hinweg oder sind sogar ein Heilmittel dafür: „Bei mir war das so, dass ich in Krisenzeiten, also wenn ich Stress mit meinen Eltern hatte, oder Liebeskummer, mir immer die Geige geschnappt und stundenlang gespielt habe“, erzählt Anna Kränzlein (30), mehrfache Preisträgerin beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert, studierte Geigerin und Gründungsmitglied der Band „Schandmaul“. „Musik, die einen erfüllt, hat eine Art therapeutische Wirkung – das ist schwer in Worte zu fassen“, so Kränzlein. Wie das Selbst-Musizieren lockt natürlich auch körperliches Sich-Auspowern die Glückshormone hervor und hellt nachgewiesenermaßen die Stimmung auf.
Will ein Teenie jetzt kaum üben, kann die „Mindest-Vereinbarung“ erneuert werden (15 bis 20 Minuten). Möchte der Jugendliche aber vom Sport oder Unterricht ganz abgemeldet werden, vermeidet ein kleiner Zeitgewinn allzu übereilte Entscheidungen: Eltern und Nachwuchs können im Kalender eine Frist eintragen, bis zu der der Jugendliche noch dabei bleibt – danach kann er endgültig entscheiden, ob er wirklich aufhören möchte.
Warum sich Ausdauer lohnt
Egal ob noch Kind oder schon Teen: Kinder, die eine Freizeitbeschäftigung beibehalten und dort regelmäßige Erfolgserlebnisse haben, profitieren davon. Dass das Erlernen eines Instruments die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern positiv beeinflusst, ergab zum Beispiel eine Langzeitstudie unter der Leitung des Frankfurter Musikpädagogen Prof. Dr. Hans Günther Bastian, die bis 1998 an Berliner Grundschulen lief. Er stellte fest, dass das Sozialverhalten dieser Kinder besser ist, ihre Leistungsbereitschaft und ihre Motivation zu lernen größer ist.
Am sprichwörtlichen Ball zu bleiben lohnt sich auch für sportliche Kinder. „Bei Bewegung wird nicht nur in den Muskeln, sondern auch im Gehirn die Durchblutung verbessert“, sagt Martin Korte, Biologe der TU Braunschweig und Fachmann für Lernen und Gedächtnisleistung. „Dadurch steigt die Konzentrationsfähigkeit messbar an.“ Außerdem würden beim Sport spezielle Hirnzentren beansprucht, die in direkter Verbindung mit dem Sprachzentrum oder dem Arbeitsgedächtnis stehen.
Bei allen schulischen Vorteilen sollten Eltern nicht vergessen, dass Hobbys einfach auch einen wunderbaren Schatz an echten Erfahrungen bieten – in Zeiten, wo viele Kids einen beträchtlichen Teil des Tages in virtuellen Scheinwelten verbringen, wichtiger denn je.
Durchhalten – aber nicht um jeden Preis!
Wenn Eltern ihr Kind dazu animieren, ihr Hobby durchzuhalten, sollten sie aber auch Augenmaß bewahren und darauf achten, dass die Freude beim Kind irgendwann auch wieder sichtbar wird. Denn es gibt auch sie: Eltern, die es nicht bemerken, wenn Leichtigkeit und Spaß beim Kind dauerhaft auf der Strecke geblieben sind. Man erkennt solche Mütter und Väter oft daran, dass sie wenig eigene Interessen pflegen, sondern sich die Freizeitbeschäftigung ihres Kindes sehr zu eigen machen. Manche dieser Eltern bauen ihr Leben regelrecht um das Hobby des Kindes herum und fragen sich nicht ehrlich genug, ob auch das Kind die Begeisterung noch teilt. Dies wird als selbstverständlich vorausgesetzt („Natürlich macht ihr das Spaß, gell Jessica?!“). Der Erfolg sollte aber immer nur ein Nebenprodukt der Freude eines Kindes an seiner Freizeitbeschäftigung sein.