Mütter: faul, heilig oder einfach arm dran?
Über Mütter lässt sich trefflich streiten - wie die immer wieder aufflammenden Diskussionen über "Rabenmütter" zeigen. Doch manchmal kommt die Bedrohung nicht von außen - Mütter selbst werten einander ab und kritisieren die je andere Art und Weise, die Mutterrolle auszugestalten.
Über Mütter lässt sich trefflich streiten
Die eine homogene Gruppe der Mütter gibt es nicht! Aber es könnte ein gemeinsames Anliegen geben, das alle Mütter vereint: Die Forderung nach der gleichen Akzeptanz verschiedenster Formen von Mutterschaft: der Vollzeit-, Teilzeit-, der alleinerziehenden, der Rollentausch-Mutter usw. Ein Plädoyer für Einigkeit in der Vielfalt!.
Ein Beispiel, an dem sich eine breite Debatte über Mütter entzündete, war die von einigen Medien aufgebauschte Diskussion um "faule Mütter", der ein völlig aus dem Zusammenhang gerissener Satz aus dem 7. Familienbericht der Bundesregierung zugrunde lag. Dass deutsche Mütter zwar weniger am Erwerbsleben beteiligt sind, aber dennoch angeblich (laut Statistik) einige Minuten weniger Zeit in den Haushalt investieren als ihre skandinavischen Mitstreiterinnen, reichte aus, um einmal mehr die Emotionen zum Kochen zu bringen. Fast zeitgleich bot ein Beschluss zum Elterngeld reichlich Stoff zum Streiten. Denn mit dieser familienpolitischen Leistung soll ja nicht nur der Einkommensverlust von Familien im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes verringert werden. Sie soll auch den Anreiz für Väter erhöhen, sich wenigstens für eine Weile bei der Erziehung ihrer Brut einzubringen und damit mehr Müttern den großen beruflichen Bruch ersparen.
Gerne wird ein ein solcher Anreiz als staatliche Gängelung kritisiert und der Politik vorgeworfen, allzu einseitig das Konzept der berufstätigen Mutter zu verfolgen. Und schon geht es wieder um den Wettstreit der verschiedenen Lebenskonzepte und wer schwimmt mittendrin in den höher schlagenden Wogen? Die Mütter.
Was wollen Mütter?
Aber gibt es sie überhaupt - die Mütter? Kann man über sie sprechen, als seien sie eine homogene Gruppe von Menschen in gleicher Situation und mit ähnlichen Wünschen und Bedürfnissen? "Wir wollen uns nicht länger rechtfertigen", titelte der Stern in einer früheren Ausgabe und ließ 14 Frauen (mit und ohne Kinder) einmal kräftig Dampf ablassen. So unterschiedlich die darin zu Wort kommenden Frauen, so durchgehend doch der eine Wunsch: "Wir wollen und können nicht über einen Kamm geschoren werden."
Mutterschaft hat sicher etwas enorm Verbindendes, weil sie zu den intensivsten Erfahrungen des Menschseins gehört. Aber das war's dann auch an grundlegenden Gemeinsamkeiten: Wie Frauen ihre Mutterschaft ausgestalten, ob sie sich nach dem traditionellen Modell ganz um Familie und Kinder kümmern wollen (oder müssen), ob sie mit ihrem Partner die Erziehungsarbeit teilen oder Rollentausch praktizieren, ob sie ganz im Job bleiben (wollen oder müssen) und die Kinder ganztags in eine Fremdbetreuung geben, ob sie ihren Nachwuchs alleine oder mit einem neuen Partner erziehen - dies alles gehört zu den heute möglichen Lebenskonzepten von Müttern. Bei aller Vielfalt der möglichen Lebensformen ist es für Mütter (und Frauen allgemein) jedoch möglich, zumindest gemeinsam an einem Strang zu ziehen, was die Forderung nach Wahlfreiheit und Selbstbestimmung angeht, ohne bestimmte Lebensformen zu idealisieren und andere abzuwerten. Und dies natürlich auch, was die Entscheidung für oder gegen Kinder betrifft.
Akzeptanz, Unterstützung, Anerkennung
Halten wir fest: Die Mütter gibt es nicht, Mütter sind so unterschiedlich wie Menschen ohnehin. Was sich die meisten Mütter jedoch wünschen würden, ist ganz einfach Akzeptanz, Unterstützung und Anerkennung, egal für welche Form der Mutterschaft sie sich entschieden haben. Nicht nur verständnislose Partner, die häufig kinderfeindliche Umgebung und Erwerbswelt sowie fehlende qualitativ hochwertige Betreuungsplätze vom Kleinkindalter an machen es Müttern da häufig schwer. Auch die eigenen Grabenkämpfe von armen gegen reiche Mütter, Hausfrauen gegen Erwerbstätige, Verheirateten gegen Alleinerziehende, Einkindmüttern gegen Mehrfachmütter, Spontan-Entbindenden gegen Kaiserschnittmütter usw. schwächen eher anstatt zu helfen.
Welche Mütter sind gut, welche faul, welche selbstlos und welche egoistisch, welche erziehen richtig, welche falsch? All diese Fragen sind in einer offenen Diskussionskultur erlaubt, aber bringen sie, mit erhobenem Zeigefinger und abwertender Geste gestellt, irgendwen wirklich weiter? Vielleicht könnten wir uns angesichts solcher Fragen einfach (und das ist in fast allen Lebenslagen sinnvoll) auf ein sehr weises angeblich indianisches Sprichwort besinnen: "Urteile nie über jemanden, wenn du nicht mindestens eine Meile lang in seinen Mokassins gegangen bist." Oder, weniger indianisch ausgedrückt: Geben wir einander einfach das, was wir in unserer Mutterrolle dringend (auch von Nichtmüttern, Vätern, Arbeitgebern, Kollegen, Nachbarn, Lehrern usw.) brauchen: Interesse, Bereitschaft genau zuzuhören, großen Vertrauensvorschuss, Unterstützung, Anerkennung und wenn nötig und sinnvoll, allenfalls konstruktive, aufbauende Kritik.
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