Warum Rituale so wichtig sind
Lange Zeit galten sie als veraltet. Doch die Menschen brauchen Rituale. Und ganz besonders brauchen sie unsere Kinder. Denn sie geben Halt und Wir-Gefühl.
Eltern in Erklärungsnot
Gehörst du auch zu den Eltern, die eigentlich vom Ostereierfärben nichts wissen wollten und auch an Weihnachten nicht in die Kirche gingen – bis die Kinder kamen? Viele Paare greifen, sobald sie Eltern geworden sind, auf Bräuche zurück, die sie zuvor längst über Bord geworfen hatten. Fragen die Knirpse allerdings genauer nach dem Sinn und Zweck von bunten Ostereiern oder einem Gottesdienstbesuch am Ostersonntag, kommen Mütter und Väter häufig in Erklärungsnot. Eigentlich glauben sie ja nicht an die Auferstehung Jesu. Warum also Ostern oder Weihnachten feiern?
Wir alle brauchen Rituale
Die Antwort ist einfach. Menschen brauchen Rituale. Und Kinder brauchen sie ganz besonders. Nicht umsonst bestehen sie darauf, immer wieder die gleiche Gute-Nacht-Geschichte zu hören oder morgens stets auf die gleiche Weise durch Kitzeln geweckt zu werden. Immer wiederkehrende Abläufe geben dem Leben Struktur, schenken Geborgenheit und Halt und stärken Ich- und Wir-Gefühl. Lange Zeit jedoch wurden Rituale mit überholten Traditionen und starren Regeln gleichgesetzt. Auch wegen ihrer Pervertierung in der Zeit des Nationalsozialismus wollten nachfolgende Generationen überkommene Regeln über Bord werfen. Heute jedoch, in einer Zeit des ständigen Wandels, erleben Rituale ein Comeback.
Morgenrituale und Jahreszeitenfeste
Ohne uns dessen bewusst zu sein, ritualisieren wir ohnehin einen Großteil unseres Tagesablaufs. Vielleicht hast du die Angewohnheit, morgens zuallererst mal eine Tasse Kaffee zu trinken und einen ersten Blick in die Zeitung zu werfen. Oder es gehört in deiner Familie seit jeher zu den Regeln, sonntags Kerzen auf den Frühstückstisch zu stellen und nur an diesem Morgen Croissants zu verspeisen. Vielleicht aber auch ist im Laufe der Zeit zwischen dir und deinen Kindern ein festes Morgenritual entstanden, etwa indem du zunächst einmal zu ihnen ins Bett schlüpfst oder ein Stofftier zur Hilfe nimmst, das stellvertretend das Wecken übernimmt. All das sind Rituale, ebenso wie die feststehende Art, wie wir Feste begehen. Ostern zum Beispiel durch das Verstecken von bunten Eiern und einen mit ausgeblasenen Eiern geschmückten Forsythienstrauß. Oder ein Hochzeitsfest mit dem ersten Tanz für das Paar und Tischreden des Brautvaters.
Wofür sind Rituale gut?
Den Alltag mit Kindern können Rituale enorm erleichtern. Denn alles, was regelmäßig wiederkehrt und stets nach dem gleichen Schema abläuft, akzeptieren Kinder leichter. So lassen sich auch Regeln des Zusammenlebens und tägliche Pflichten ritualisieren. Wie zum Beispiel das Ritual, das morgendliche Waschen mit einem Lied zu verbinden oder, wenn ihre Kinder abends beim Ausziehen einmal wild und nackt durchs Zimmer tanzen. Lästige Pflichten werden für Kinder so zu lustigen Eckpunkten des Tages, die sie nicht mehr missen möchten. Gleichzeitig erlauben es uns die großen Feste wie Ostern oder Weihnachten, im Jahresverlauf mit dem mächtigen Naturgeschehen in Kontakt zu bleiben und nicht den Sinn für das Geheimnis zu verlieren, das hinter unserer vordergründigen Welt steckt. Dafür braucht man keineswegs religiös zu sein. Seit jeher hat der Frühling die Menschen fasziniert und inspiriert. Wer mit der Kirche nichts im Sinn hat, kann sich auf die früheren Bedeutungen des Osterfests besinnen und mit den Kindern zum Beispiel das Zu- und Abnehmen des Mondes beobachten oder einen Jahreszeitentisch mit den Frühlingsboten wie Narzissen oder blühenden Zweigen schmücken.
Licht, Essen, Blumen
Da Traditionen sich heute häufig verlieren und damit auch das Wissen um festliche Rituale, fühlen viele Eltern sich unsicher, wie sie ein Fest gestalten und möglicherweise neue Familienbräuche kreieren können. Vielleicht kann es da eine kleine Hilfe sein, dass seit jeher nur drei ganz einfache Elemente ausreichen, um den Alltag in ein Fest zu verwandeln: Eine gemeinsame Mahlzeit, Licht (Kerzen) und Blumen (als Sinnbild unserer feierlich gestimmten Seele).
Literatur zum Thema:
- Petra Kunze, Catharina Salamander: Die schönsten Rituale für Kinder
- Nancy Fuchs: Sonne für die Kinderseele
- Marieke Anschütz: Religiöse Erziehung. Anregungen für das Leben mit Kindern