Kindererziehung: Früher war nicht alles besser
Andere Zeiten, andere Sitten: Das gilt natürlich auch für die Kinderpflege und Erziehung. Oft wird wertvolles Wissen über unzählige Elterngenerationen weitergegeben. Einige Methoden und Techniken wirken heute aber eher befremdlich, wenn nicht sogar gefährlich.
Erschreckende Methoden zur Beruhigung
Wenn Opa das Kleinkind unbekümmert sein Bier probieren lässt, bekommen die meisten Eltern große Augen. Doch das ist gar nichts gegen das Mittelchen, das schon in der Antike angewendet wurde, um kleine Schreihälse zu beruhigen: Opium – zum Beispiel in Form von Mohnsaft im Brei oder später über ein mit Mohn gefülltes Lutschbeutelchen. Noch 2005 wurde ein Fall bekannt, in dem eine Mutter ihrem Säugling gegen Schlafstörungen die abgeseihte Milch von Speisemohn gegeben hatte. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnte darauf hin ausdrücklich davor, diese zum Teil noch überlieferten Hausmittel anzuwenden.
Stillen
Sprechen wir heute über den Einfluss von Muttermilch auf das Kind, betrifft das vor allem gesundheitliche Aspekte. Lange Zeit glaubten die Menschen aber, dass sich sogar der Charakter über die Muttermilch auf das Kind übertragen könne oder sogenannte leidenschaftliche Gemütslagen einen schlechten Einfluss auf die Milch hätten. Ein Handbuch aus dem Jahr 1788 rät der stillenden Mutter noch, die Milch wegzuschütten, sollte sie sich zuvor aufgeregt haben. Auch für Ammen galten, neben nachvollziehbaren gesundheitlichen Aspekten, zum Teil sehr befremdliche Kriterien. So empfiehlt der Autor eines medizinischen Wörterbuchs von 1828, Ammen mit roten Haaren zu vermeiden, da sie meistens einen falschen Charakter hätten. Heute wissen wir: Stillen ist gesund. Punkt.
Guten Abend, Herr Vater
Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein war es in Deutschland vielfach üblich die eigenen Eltern zu siezen. Bis dann im Zuge der 68er-Bewegung und der antiautoritären Erziehung aus „Herr Vater"„Hey Günther" wurde. Und heute gilt der goldene Mittelweg? Nicht ganz: Vor ein paar Jahren hat zumindest der damalige FC-Bayern-Trainer Louis von Gaal noch damit für Aufsehen gesorgt, dass seine Kinder ihn siezen müssen.
Nur ein Klaps?
Rute, Rohrstock, Ohrfeige: Antiquierte Erziehungshelfer a la Struwwelpeter sind in Deutschland schon lange verboten? Längst nicht so lange, wie man vielleicht glauben könnte. Die Prügelstrafe an Schulen der BRD wurde zum Beispiel erst 1973 per Gesetz verboten – in Bayern sogar erst 1980. Und erst im Jahr 2000 wurde durch eine Gesetzesänderung das elterliche Züchtigungsrecht abgeschafft.
Ein Baby kennt keinen Schmerz?
Kaum vorstellbar, doch die Forschung ging lange davon aus, dass Neugeborene keinen Schmerz empfinden, da ihr Nervensystem noch nicht ausgereift sei. Bis in die 1980er Jahre wurden medizinische Eingriffe bei ihnen teils ohne Schmerzmittel durchgeführt. Bekannt wurde vor allem der Fall des US-amerikanischen Frühchens Jeffrey Lawson, dessen Mutter eine ohne Narkose durchgeführte OP an einem herznahen Blutgefäß des Kindes öffentlich anprangerte. Auch in Deutschland wird zur dieser Zeit noch um das Schmerzempfinden von Babys gestritten. Seither haben aber mehrere Studien nachgewiesen, dass Neugeborene sogar besonders sensibel auf Schmerzen reagieren.
Die Jugend von heute – es war halt doch nicht alles anders
„Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer." Hat das etwa der schimpfende Rentner aus dem dritten Stock gesagt? Nein, es war der griechische Philosoph Sokrates, der 469 v. Chr. geboren wurde. Zumindest der oftmals besonders kritische Blick der Erwachsenen auf die Jugend scheint also zeitlos zu sein.
Babykäfige: Frischluft mit ziemlich viel Ausblick
Aus heutiger Sicht wirkt auf die meisten Menschen sicher auch der sogenannte Babykäfig ziemlich irritierend. Im Zuge der Industrialisierung wurde Platz in den großen Städten rar und über großzügige Terrassen oder Balkone verfügten nur die Wenigsten. Um ihren Kindern trotzdem möglichst viel Frischluft zukommen zu lassen, kamen tatsächlich Käfige zum Einsatz, die vor die Fenster gehängt wurden und eine Art Mini-Auslauf für Babys waren. Das sieht wirklich ziemlich gefährlich aus – doch dahinter steckte zumindest eine gute Absicht.
Bloß nicht schmusen
Euer Kind kuschelt sich ins Bett und schenkt euch ein süßes Lächeln. Was tut ihr? Richtig, es knuddeln und mit Liebe überschütten. Ganz falsch! Zumindest, wenn man den Lehren des amerikanischen Psychologen John B. Watson aus dem Jahr 1928 glaubt. Der war nämlich davon überzeugt, dass man Babys und Kleinkinder möglichst distanziert begegnen müsse. Statt Küsschen und Umarmungen sollte man ihnen am Morgen lieber die Hand geben. Zum Glück sind diese Erziehungsmethoden längst überholt.