Ende der Grundschule - und nun?
Mit der zu Ende gehenden Grundschulzeit stellt sich für viele Eltern die Frage: Welche weiterführende Schule ist die richtige für unser Kind? Die Entscheidung fällt da oft nicht leicht. urbia gibt Ihnen einen Überblick über die einzelnen Schultypen und ihre Anforderungen.
Welche weiterführende Schule ist die richtige?
Wenn sich die Grundschulzeit - in Berlin und Brandenburg dauert sie sechs in allen anderen Ländern vier Jahre - dem Ende nähert, dann stehen die Eltern vor einer wichtigenEntscheidung: In welche weiterführende Schule soll unser Kind gehen? Ist es für das Gymnasium geeignet oder wäre es auf der Realschule besser aufgehoben? Weisen die bisherigen schulischen Leistungen eher den Weg in die Hauptschule? Vielleicht ist unser Kind am besten in der Gesamtschule aufgehoben?
Zwar sprechen die Grundschulen eine Empfehlung aus. Wenn sich diese aber so gar nicht mit der Wunschschulform der Eltern deckt, kann das Schreiben die Erziehungsberechtigten jedoch noch mehr ins Grübeln bringen. Renate Hendricks, Vorsitzende des Bundeselternrates, rät: "Bei der Schulwahlentscheidung sollten sich die Eltern an den Fähigkeiten ihres Kindes orientieren.
Nur so ist wirklich gewährleistet, dass sich Kinder in der Schule wohlfühlen und Lernerfolge haben. Nichts ist für Kinder demotivierender als Misserfolge. Erfolg hingegen stärkt das Selbstbewusstsein und trägt dazu bei, dass Kinder Spaß am Lernen haben. Dies ist auch der Grund, warum es für unterschiedliche Begabungen unterschiedliche Schulformen gibt und damit unterschiedliche Abschlüsse vergeben werden."
Zwei Jahre zur Orientierung
Die ersten beiden Jahre an der Haupt-, der Realschule und im Gymnasium, also die Klassen fünf und sechs, gelten als Erprobung- und Orientierungsstufe – die Schüler haben die Möglichkeit, ihre Stärken und Schwächen zu erkennen. (An der Gesamtschule gibt es wegen der integrativen Ausrichtung dieser Schulform keine Erprobungsstufe.)Während dieser zwei Jahre haben die Lehrer ein besonderes Auge auf Lernfähigkeit und Entwicklung des Kindes.
Was ist das Ziel?
Ziel der Erprobungsstufe ist es, sicherzustellen, dass auch die richtige Schulform gewählt wurde – dass das Kind weder überfordert noch unterfordert ist. Je nach der schulischen Leistung können oder müssen die Kinder am Ende der Erprobungsstufe auf eine andere Schulform wechseln: Bei guten Leistungen können Hauptschüler auf die Realschule oder das Gymnasium gehen; Realschülern könnte der Besuch des Gymnasiums vorgeschlagen werden; Schülern des Gymnasiums könnte ebenfalls eine andere Schulform vorgeschlagen werden. Dabei ist zu beachten, dass der Beschluss der Versetzungskonferenz einer Realschule oder eines Gymnasiums für die Eltern verbindlich ist.
Renate Hendricks gibt zu bedenken: "Wenn die Entscheidung der Eltern falsch war, wird sie von der aufnehmenden Schule im Laufe der zwei Jahre korrigiert, und zwar mit bindendem Charakter für Kinder und Eltern. So dass am Ende einer falschen Schulwahl möglicherweise nur noch der Besuch einer Hauptschule – als Pflichtschule – in Frage kommt. Diese Konsequenz ist vielen Eltern bei der Anmeldung an einer Realschule oder an einem Gymnasium nicht klar." Renate Hendricks empfiehlt Eltern, während der Erprobungsstufe regelmäßig Kontakt zu den Lehrern zu halten.
Überblick der Regelschulen
Die nachfolgenden Kurzbeschreibungen der Schulformen Gymnasium, Real-, Hauptschule und Gesamtschule sollen dazu beitragen, Eltern und Kindern die Schulwahlentscheidung zu erleichtern. Dies kann jedoch nur ein sehr allgemeiner Überblick sein, da es in Deutschland aufgrund der im Grundgesetz verankerten Kulturhoheit der Bundesländer 16 verschiedene Schulsysteme gibt.
Ausgespart bleiben in dieser Übersicht Alternativen zu den oben genannten öffentlichen Regelschulen (wie Waldorf-Schulen, Internate etc.) sowie Sonderschulen, also Einrichtungen, die Schüler mit besonderem Förderbedarf unterrichten, Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung oder mit Lernschwierigkeiten.
Weitere Informationen über das Bildungssystem in Deutschland sowie Adressen der Wissenschaftmisterien der einzelnen Bundesländer sind auf den Internetseiten der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland .
Das Gymnasium
Das Gymnasium vermittelt Schülern eine breite und vertiefte Allgemeinbildung, die in einem durchgängigen Bildungsgang zur allgemeinen Hochschulreife (Abitur) führt. Damit schafft es zugleich die Voraussetzungen sowohl für eine berufliche Ausbildung ohne Studium, als auch für Führungsaufgaben in Berufen, die einen Hochschulabschluss verlangen. Schüler können das Gymnasium auch nach der Klasse 10 mit der Mittleren Reife verlassen.
Unterrichtsgestaltung
Die Unterrichtsgestaltung am Gymnasium hat drei zentrale Ziele: eigenverantwortliches, selbständiges und zielorientiertes Arbeiten.
Eine besondere Bedeutung kommt dabei folgenden Unterrichtsformen zu: Fach-übergreifendes Denken und Arbeiten, Gruppen- und Partnerarbeit und Umgang mit Neuen Medien.
Gymnasiasten erlernen mindestens zwei Fremdsprachen. Englisch, Französisch oder Latein werden ab der fünften Klasse als erste Fremdsprache unterrichtet. In der Jahrgangsstufe sieben (oder bei der auf acht Jahre verkürzten Gymnasialzeit "G8" schon in der sechsten Klasse) kommt die zweite Fremdsprache hinzu. Wer Englisch nicht als erste Fremdsprache gewählt hat, muss meist neben seiner ersten Fremdsprache dennoch eine Englisch-AG oder einen Kurs besuchen, um keine Lücke zwischen dem Englisch-Unterricht in der Grundschule und in der weiterführenden Schule entstehen zu lassen. In der achten Jahrgangsstufe kann die dritte Fremdsprache im Wahlpflichtbereich gewählt werden. Einige Gymnasien bieten ausländischen Schülern die Möglichkeit, an Stelle einer Pflichtfremdsprache ihre Muttersprache zu wählen.
Gymnasiale Oberstufe
Mit Klasse 10 beginnt die gymnasiale Oberstufe und damit die Vorbereitung auf Strukturen, Arbeitsweisen und Anforderungen der Jahrgangsstufen 11 und 12. Ab Klasse 11 gibt eskeinen Klassenverband mehr, sondern ein Kurssystem, in dem sich die Schüler ihr schulisches Programm innerhalb bestimmter Vorgaben selbst zusammenstellen können. In Grund- und Leistungskursen wählen sie ihre individuellen Fächerkombinationen nach Begabung und Interesse. Die Leistungen werden nicht mehr mit Noten von 1 bis 6, sondern nach einem Punktesystem von 0 bis 15 bewertet.
Schüler, die selbstständig arbeiten und sich in neue Stoffe "reinverbeißen" können, für die ist das Gymnasium die richtige Schule.
Die Gesamtschule
Die Gesamtschule umfasst die Sekundarstufen I und II. Diese Schulform ermöglicht den Schülern ohne Schulformwechsel einen Bildungsweg zu allen Abschlüssen und Berechtigungen der allgemeinen Schulen. In der Sekundarstufe I ist sie gemeinsame Schule für alle Kinder, die die Grundschule erfolgreich durchlaufen haben. Sie soll die Schüler befähigen, eine Berufsausbildung aufzunehmen oder in vollzeitschulische allgemeinbildende oder berufliche Bildungsgänge der Sekundarstufe II einzutreten.
Versetzung garantiert
Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Begabungen und Fähigkeiten, unterschiedlicher Interessen und Neigungen, unterschiedlicher sozialer Herkunft und kultureller Orientierungen werden in der Gesamtschule unterrichtet. Sie bietet ihnen in einem Haus des Lernens vielfältige Lernmöglichkeiten und hält Laufbahnentscheidungen möglichst lange offen. In den Klassen 5 bis 9 können die Schüler in der Regel nicht sitzenbleiben. Nur in Ausnahmefällen rät die Gesamtschule zu einer "Ehrenrunde".
Mit gezielten Förderangeboten soll Lernschwächen entgegen gewirkt werden. Die Gesamtschule fördert die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen auf der Grundlage ihrer individuellen Voraussetzungen und Möglichkeiten. Sie geht nicht von der Erwartung prinzipiell gleichförmig verlaufender Lernprozesse aus. Ab Jahrgangsstufe 7 setzt ein Kurssystem ein, das den unterschiedlichen Leistungsniveaus Rechnung trägt und die gezielte Förderung jedes Schülers ermöglicht.
Das Miteinander ist die Hauptsache
Die Gesamtschule ist konzipiert als eine Schule der Vielfalt, in der junge Menschen lernen, zusammen zu leben und miteinander zu arbeiten und dabei Unterschiede nicht als trennend, sondern als bereichernd zu erfahren. Von der pädagogischen Zielsetzung soll die Gesamtschule ein Lern- und Erfahrungsraum sein, in dem junge Menschen ihre Identität ausbilden können. Hier sollen Schüler das eigene Lernen als eine Entwicklung erfahren, bei der verschiedene und individuelle Wege zum Ziel führen.
Zur Bewältigung dieser Aufgaben müssen Lehrer den Integrations- und Differenzierungsauftrag der Gesamtschule bewusst wahrnehmen, so wie die in der Gesamtschule angelegten Lernmöglichkeiten nutzen. Verstärkt werden die Eltern als Erziehungspartner in die Beratung über Grundfragen der Erziehung und Bildung miteinbezogen.
Jungen und Mädchen, die teamfähig sind und sich selbst gut organisieren können, sind auf der Gesamtschule richtig, meint die Direktorin einer Wuppertaler Gesamtschule.
Die Realschule
Die Realschule vermittelt in sechs Schuljahren eine in sich abgeschlossene, erweiterte allgemeine Bildung und ein vertieftes Grundwissen. Sie schließt mit dem Sekundarabschluss I, der Fachoberschulreife ab. Der qualifizierte Realschulabschluss berechtigt zum Besuch der gymnasialen Oberstufe.
Praktische Erfahrungen sammeln
Diese Schulform schafft die Grundlage für praktisch orientierte Berufe, die auch erhöhte theoretische Anforderungen an die jungen Leute stellen, in denen Aufgaben mit gehobenen Ansprüchen an Selbständigkeit, Verantwortung und Menschenführung zu bewältigen sind. Zusätzlich bereitet sie Schüler auf zahlreiche schulische Bildungsgänge - vorwiegend im beruflichen Schulwesen – vor. Durch Berufspraktika und Betriebserkundungen wird der Unterricht ergänzt.
Der Fremdsprachenunterricht beginnt in der fünften Klasse in der Regel mit Englisch. In der siebten Klasse kommt eine weitere Fremdsprache (in der Regel Französisch) hinzu.
Die Hauptschule
Schüler, die den Schwerpunkt ihrer Begabungen, Leistungen und Interessen im anschaulichen Denken und im praktischen Umgang mit konkreten Dingen haben, für die ist die Hauptsschule sehr geeignet. Die Hauptschule vermittelt eine allgemeine Bildung, die sich an lebensnahen Lernsituationen, an konkreten Aufgabenstellungen und am praktischen Handeln orientiert. Es werden Grundkenntnisse der Wirtschafts- und Arbeitswelt gelehrt. Die vorberufliche Bildung und die Berufsorientierung sind die wichtigsten pädagogischen Ziele dieser Schulform.
Vorbereitung auf eine Lehrstelle
Als einzige Fremdsprache wird in der Hauptschule Englisch unterrichtet. Hauptschüler sollen eine solide allgemeine Bildung erhalten, um Ausbildungsstellen in Handwerk, Industrie und Handel, im kaufmännischen wie im gewerblichen Bereich, bei Post und Bahn, im öffentlichen Dienst beim Land und den Kommunen oder in der Haus- und Landwirtschaft antreten zu können.
Die meisten Bundesländer bieten an den Hauptschulen ein freiwilliges 10. Schuljahr an (sofern es nicht ohnehin verpflichtend ist). Dieses kann mit zwei verschiedenen Abschlüssen beendet werden: Dem "normalen" Hauptschulabschluss und einem qualifizierten, der der mittleren Reife entspricht und zum Besuch der gymnasialen Oberstufe am Gymnasium oder an der Gesamtschule berechtigt. Zudem steht der Besuch der Fachoberschule, der Berufsfachschule oder höheren Berufsfachschule frei.
Ein Imageproblem
Der Ruf der Hauptschule wurde in den vergangenen Jahren in vielen Orten und Ballungsgebieten immer schlechter. Zahlreiche Eltern schicken ihre Kinder daher lieber auf die Gesamtschule. Aufgrund dieser Entwicklung mussten einige Hauptschulen schließen. Vermehrt setzt sich eine Schulform durch, in der Haupt- und Realschule unter einem Dach zusammengefasst sind – eine Art partielle Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe.
Diese kombinierte Schulart trägt in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Namen. Hierzu zählen die Mittelschule (Sachsen), Regelschule (Thüringen), Sekundarschule (Sachsen-Anhalt), Erweiterte Realschule (Saarland), Integrierte Haupt- und Realschule (Hamburg), Verbundene Haupt- und Realschule (Hessen, Mecklenburg-Vorpommern) und Regionale Schule (Rheinland-Pfalz).
"Hauptschulen sind keine Ausbildungs-Sackgassen", betont die Rektorin einer Kölner Hauptschule.
Entscheidungshilfen bei der Schulsuche
Wenn sich die Eltern entschieden haben, welche Schulform für ihr Kind die geeignete ist, dann geht die Suche nach der richtigen Schule los. Renate Hendricks, Vorsitzende des Bundeselternrates, hebt hervor: "Dabei ist die nächstgelegene Schule nicht immer auch die richtige für das einzelne Kind. Eine wichtige Rolle spielen das Schulprofil, also die Ausrichtung der Schule, das Schulklima und die Qualität der Schule." Die fünffache Mutter hat einige Entscheidungskriterien aufgestellt, die bei der Suche nach der richtigen Schule helfen:
Welche Sprachenfolge bietet die Schule an?
Welche Differenzierungsneigungen werden ab welcher Klasse angeboten?
Welche Ausbildungsmöglichkeiten bietet die Schule am Computer?
- Wie viele Computer besitzt die Schule?
- Wer erteilt den informationstechnischen Unterricht?
- Gibt es ausreichend Lehrer dafür?
- Wie wird der Internet-Anschluß den Schülern zugänglich gemacht?
Welche Austauschprogramme laufen regelmäßig?
- Wie werden diese von der Schule betreut?
Hat die Schule ein besonderes Profil?
- Welche Konsequenzen hat dieses Profil für die Schullaufbahn?
Gibt es Arbeitsgemeinschaften?
- Welche sind das?
- Werden Arbeitsgemeinschaften auch weiterhin angeboten?
Gibt es einen Ganztagsbetrieb oder Hausaufgabenbetreuung?
- Was kostet die Betreuung?
- Wer führt die Betreuung durch?
- Sind Eltern und Schüler mit dem Angebot zufrieden?
Gibt es für die Schüler Möglichkeiten, sich auf dem Schulgelände etwas zu essen und zu trinken zu kaufen?
Gibt es Aufenthaltsräume für Schüler?
Sind die Klassenräume offen oder abgeschlossen?
- Wo dürfen sich Schüler während der Pausen aufhalten?
Gibt es pädagogische Leitideen für die Erprobungsstufe?
- Wie intensiv arbeitet die Schule mit den Eltern während der Erprobungsstufe zusammen?
- Werden Eltern aktiv und rechtzeitig von der Schule angesprochen?
- Mit welchen anderen weiterführenden Schulen arbeitet die Schule zusammen?
Wie steht das Lehrerkollegium zu Klassenfahrten, Projektwochen, Schulfesten und Klassenfesten?
- Finden bereits in der Klasse fünf Klassenfahrten statt?
- Wann fand das letzte Schulfest statt, wann steigt das nächste?
Wie werden Schüler in der Schule empfangen?
- Wie geht die Schule mit Übergriffen von größeren Schülern auf kleinere um?
- Was erwartet die Schule von Ihnen als Eltern?
- Können Eltern am Unterricht hospitieren?
Wie aktiv ist die Schulpflegschaft?
- Gibt es noch andere Formen der Elternbeteiligung, wie z. B. Erprobungsstufenpflegschaften oder Mittelstufenpflegschaften?
- Wie oft finden Fachkonferenzen statt und wie ist dort die Elternbeteiligung?
Gibt es eine aktive Schülervertretung?
- Wie aktiv ist die Schülervertretung?
- Wie ist das Verhältnis der Schüler zum Schulleiter oder zur Schulleiterin, zu den Lehrern und zum Hausmeister?
Hier gibt es noch eine Buchempfehlung: Fit für das Gymnasium.
Weitere Tipps und Erfahrungsberichte findet Ihr auch im urbia-Forum Kids & Schule.