Pubertätsfalle: Was Eltern oft falsch machen
"Gehirn im Umbau" sollte vielleicht auf der Stirn von Pubertierenden prangen - und ihre Eltern so daran erinnern, dass Logik und Vernunft jetzt nicht immer die besten Ratgeber sind. In welche Erziehungsfallen Eltern tappen können und wie sie wieder rauskommen.
Ein neuer Erziehungsstil ist fehl am Platz
„Du bist doof, du kapierst überhaupt nichts!“ Dies ist das Ende einer ziemlich lauten Unterhaltung mit einem Teenager. Die Türe knallt, drei Sekunden Stille, und dann wird es mit 120 Beats wieder laut. Ab da gibt es mehrere Möglichkeiten für die stehengelassenen Eltern:
„Du machst sofort die Musik leiser!“ "Ab sofort werden hier andere Seiten aufgezogen.“ „Lisamausi, Du hast doch noch so viele Jahre Zeit, ein Konzert zu besuchen!“
Was diese Möglichkeiten gemeinsam haben? Sie werden in dem Moment wahrscheinlich nicht weiterhelfen. Eltern tappen in den Stressmomenten der Pubertätskämpfe in die immer gleichen Erziehungsfallen. Nur, wer hilft da raus?
Vielleicht hilft ein Erziehungsratgeber für Pubertätsprobleme? Angeboten wird hier die ganze Spannbreite von „Bleib locker und erfreu dich an der Selbstfindung“ (Jesper Juul) bis zu „Lehre Disziplin und Verantwortung, Fleiß und Verzicht“ (Bernhard Bueb). Zu allem Überfluss schickt fast jeder die Prognose hinterher: Zu spät - jetzt erntest du das, was du jahrelang gesät hast. Das ermutigt Eltern nicht wirklich, spricht aber eine der größten Fallen an, in die Eltern tatsächlich treten können. Es ist ein großer Irrtum zu glauben, jetzt noch schnell die Erziehung nachholen zu können, die man vorher versäumt hat.
Denn ganz gleich, welchen Stil die Eltern pflegen und welche Werte sie den Kindern beibringen wollen, es muss stimmig sein zu dem, was die Kinder die zwölf Jahre vorher erlebt haben.
Stelle dich auf die Veränderung ein, aber verstelle dich nicht.
Pubertierende bekommen nicht nur Busen und Bartflaum. Auch das Gehirn wird umgebaut. Neue Verhaltensmuster werden ausprobiert, bei denen Vernunft nicht immer der erste Ratgeber ist. Es ist ein Ablösungsprozess, hin zur Selbstfindung, weg von der Herrschaft der Eltern. Das können Eltern nicht vermeiden, aber die richtige Einstellung dazu finden. Eltern müssen ab jetzt nicht die Musik der Kinder cool finden, die gleichen T-Shirts anziehen oder deren Sprache sprechen. Das nehmen ihnen die Jugendlichen nicht ab. Aber Eltern können die Einseitigkeit der Kindererziehung aufheben. Statt neue Regeln aufzustellen, können sie die Regeln aushandeln auf Basis der Werte, die sie bis dahin vermittelt haben. Eltern müssen sich dabei gefallen lassen, dass sie nun selbst auf dem Prüfstand stehen. Wer Pünktlichkeit verlangt, muss es vorleben. Es wird ein Leben auf Augenhöhe.
Übertrumpfe dein Kind nicht mit deiner Lebenserfahrung, aber erzähle von dir
Wer sich ausprobiert, macht Fehler. Im Ablösekampf schlägt das Pendel extrem aus. Was gestern noch galt, ist heute uncool. Wer gerade noch in war, geht jetzt so gar nicht. Ziele werden genauso schnell aufgestellt wie über den Haufen geworfen. Ein „ich habe es dir doch gleich gesagt“ müssen sich Eltern grundsätzlich verkneifen. Die Pubertierenden überspielen ihre Unsicherheit gerne mit übersteigertem „Bescheidwissen“. Sie werden ihre Erfahrungen machen, manchmal leiden und Jahre später die richtigen Entscheidungen treffen. Statt ungefragter Ratschläge, kannst du deine eigene Geschichte anbieten. Dabei geht es nicht um die vernünftigsten Momente in deinem Leben, sondern die Zweifel und Dramen, die jeder Mensch in dem Alter durchleben muss. Eltern sollten dabei der Versuchung wiederstehen, den damals eingeschlagenen Lösungsweg „mitzuverkaufen“. Wer seinem Kind den eigenen Weg gestattet, zeigt Respekt und wird auch wieder Respekt von dem erwachsen werdenden Kind ernten.
Locker bleiben und loslassen, statt meckern und klammern
Locker bleiben, während ein wildgewordener Hormonbolzen Schimpfkanonaden abfeuert?! Ja, Eltern sollten den Inhalt in Verdauliches übersetzen und nicht persönlich nehmen. Niemand muss sich beleidigen lassen, da gelten dieselben Regeln wie immer. Aber statt sich auf einen Kleinkrieg des Wortwörtlichen einzulassen, sollten Eltern öfters mal auf Durchzug stellen, den Konflikt sacken lassen. Kleine Kinder müssen unmittelbar erfahren, ob das richtig oder falsch war, was sie getan haben, sonst fehlt ihnen der Zusammenhang zwischen Ermahnung und Tat. Die Großen denken in anderen Zusammenhängen. Hier ist der richtige Zeitpunkt wichtiger, in dem man zu den Pubertierenden durchdringen kann, vielleicht dann, wenn man sich freut, dass der Sprössling am Abend wie verabredet pünktlich nach Hause gekommen ist.
Oft hat das Beharren der Eltern auf bestimmte Regeln damit zu tun, dass sie ihre Kinder nicht loslassen können. Schon schmerzt der drohende Verlust. Aber in die Freiheit entlassen bedeutet eben auch, im Alltag Stück für die Stück die Freiheit zu gewähren, die die Jugendlichen als Versuchsfeld brauchen. Ist die Unordnung im Kinderzimmer zum Chaos gewachsen? Dann ist das Pech für den Bewohner des Zimmers. Er muss sein Bett selbst machen und wird dabei sein Lieblingsshirt finden - ungewaschen. Er hat nicht für die Mathearbeit gelernt und prompt eine Fünf mit nach Hause gebracht? Statt nun jeden Tag die Hausaufgaben erzwingen zu wollen, muss er selbst wissen, wie er aus der Sache rauskommt, wenn der Lehrer einen Brief schickt, vielleicht sogar die Versetzung gefährdet ist. Oder die Mama will wissen, wer die Freundin ist, für die der Sohnemann die Schule geschwänzt hat – lieber ganz schnell vergessen.
Mitfühlen statt Erkalten
Viele Jugendliche haben tatsächlich all die Freiheiten, die sich andere nur erträumen. Das muss aber nicht Ergebnis gezielten Loslassens sein, sondern kann aus Resignation und Selbstschutz der Eltern erwachsen, weil man die Kämpfe nicht mehr aushält. Manchmal erkalten Eltern regelrecht, weil ihnen das eigene Kind fremd wird.
Die Jugendlichen brauchen, auch wenn sie es so niemals sagen würden, die Gewissheit, dass da jemand ist, auf den sie sich verlassen können. Auch wenn die Meinung der besten Freunde plötzlich mehr zählt, als die von Papa und Mama, in der Not stehen sie vor der Türe. Ein offenes Ohr anbieten, ohne sich aufzudrängen, bedingungslos zum eigenen Kind zu stehen, ohne kritiklos zu werden, dass kann in der Form nur wachsen, wenn man 15 Jahre zusammen gelebt hat.
Und nicht vergessen: Die Pubertät geht vorbei, Mama und Papa aber bleibst du für immer.