Familien und Geld: Vorsicht vor der Schuldenfalle
Schulden zu machen ist an sich kein Problem. Wenn aber plötzlich das Geld nicht mehr reicht, um zum Beispiel die Raten für Kredite zu bezahlen, droht Überschuldung. Wie Familien die Schuldenfalle meiden oder wieder heraus finden, lesen Sie hier.
Geld und Schulden: Wann ist man überschuldet?
Dass Geld nicht glücklich macht, hoffen vor allem jene, die keines haben. Dass zu wenig Geld unglücklich macht, ist dagegen unstrittig: Wenn das Geld im Alltag nicht mehr reicht, man Rechnungen lieber ungeöffnet in eine Schublade stopft und im Schuldenmeer kein rettendes Land mehr sieht, dann stehen schnell auch Schlaflosigkeit, Dauerstreit in der Beziehung und psychosomatische Erkrankungen auf der Türschwelle. In die Schuldenfalle können auch schon junge Familien geraten, und hier leiden besonders die Kinder. urbia zeigt, was unschädliche Verschuldung von Überschuldung unterscheidet, wie man drohende Überschuldung bemerkt, und wie man aus einer scheinbar ausweglosen finanziellen Misere mit heiler Haut wieder herauskommt.
Schulden zu machen ist an sich kein Problem, solange die Raten für Kredite pünktlich getilgt werden können, ohne dass man sich dafür zu sehr einschränken muss. Viele junge Familien nehmen zum Beispiel Kredite auf, um sich ein Haus mit Garten schon dann leisten zu können, wenn die Kinder noch klein sind. Auch der Ratenkauf eines geräumigen Familien-Vans, der genug Platz für den Nachwuchs bietet, ist grundsätzlich keine schlechte Idee. Problematisch werden Schulden erst, wenn das vorher kalkulierte Einkommen plötzlich nicht mehr zur Verfügung steht und die Raten nicht mehr bezahlt werden können. Oder wenn die Verpflichtungen so zahlreich werden, dass regelmäßige Alltagsausgaben nicht mehr bestritten werden können. Wenn die Schulden dann das sogenannte „veräußerbare Vermögen“ (Grundbesitz, Aktien etc.) oder den pfändbaren Teil des Einkommens übersteigen, spricht man per Definition von einer ÜBERschuldung.
Über drei Millionen Haushalte in Deutschland sind nach Angaben des Statistischen Bundesamts überschuldet. Satte 37.000 EUR Schulden wurden dabei durchschnittlich angehäuft. Die weitaus häufigste Ursache für Überschuldung ist mit knapp 30 Prozent die Arbeitslosigkeit, gefolgt von Trennung, Scheidung oder auch dem Tod eines Partners (13 Prozent). Weitere häufige Gründe sind eine gescheiterte Selbständigkeit (10 Prozent), zu viele erfüllte Konsumwünsche oder eine Krankheit (je 8 Prozent). Andere Ursachen sind mangelnde Erfahrung mit Banken, dauerhaftes Niedrigeinkommen, Mithaftung oder Bürgschaft sowie psychische Probleme. Jeder fünfte Überschuldete lebt in einer Familie mit Kind(ern). Insgesamt sind (mit Alleinerziehenden u. a. Sorgerechtsformen) in 37 Prozent aller Fälle Kinder von der Überschuldung mit betroffen.
Zu viele Schulden - selbst schuld?
Manch ein Fall von Überschuldung ist sicher hausgemacht. Zum Beispiel, wenn junge, unerfahrene Familien zu viele Ratenkäufe tätigen oder Kredite aufnehmen und den Überblick dabei verlieren. Dass Autohändler, Versandhäuser, Mobilfunkbetreiber, unseriöse Kreditanbieter und manchmal sogar Banken es ihren Kunden dabei gelegentlich zu leicht machen, erhöht die Gefahr, in die Schuldenfalle zu tappen. Auch der gesellschaftliche Druck, bei bestimmten Konsumgütern mithalten zu müssen (neuestes Handy, Breitbild-TV, teuer eingerichtetes Babyzimmer), spielt gerade für jüngere Familien eine Rolle. Dies wird besonders fatal in Kombination mit einer fehlenden Berufsausbildung: „Betroffen sind häufig Menschen ohne Ausbildung, die eher zu den unteren Einkommensbeziehern zählen. Hier werden bereits zur Gründung eines eigenen Haushalts Kredite aufgenommen. Die Gründung einer Familie führt häufig zu einem erneuten Finanzbedarf. Da finanzielle Reserven fehlen, droht bei Verlust des Arbeitsplatzes oder bei einer Trennung dann sehr schnell Armut“, so die Erfahrung von Michael Eham, dem Gründer der „Schuldenhelpline“ (s. Serviceteil) und Leiter der Schuldnerhilfe Köln.
Dennoch: Überwiegend sind es Tiefschläge im Berufs- oder Privatleben, die weitgehend schuldlos in die Überschuldung führen. Wer arbeitslos ist oder wegen Krankheit arbeitsunfähig wird, wer sich trennt und vielleicht vorher sogar für den Partner gebürgt hat, kann oft – zumindest auf Dauer - seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen. Der Anteil Alleinerziehender, die in finanzielle Not geraten, ist besonders hoch. Sie haben vor allem mit Mietschulden zu kämpfen.
Woran merkt man, dass es brenzlig wird?
Der Weg in die Überschuldung verläuft oft allmählich, wie Michael Eham beobachtet hat: „Dem Kontakt zu einer Schuldnerberatungsstelle geht häufig ein langer Weg in die Überschuldung voraus. So lässt sich nicht selten feststellen, dass Betroffene bereits mit 18 Jahren das Girokonto regelmäßig überzogen haben, auch wenn die meisten Hilfesuchenden 30 Jahre und älter sind.“ Die einfache Faustregel, dass man nicht mehr ausgeben sollte als man einnimmt, sollte also die Hauptrolle bei allen Kaufüberlegungen spielen. Wer klug ist, begrenzt Kredite auf für die Familie nötige und hilfreiche Anschaffungen und nimmt sie nicht für Urlaub, Unterhaltungselektronik oder angesagte Designermöbel auf. Bei der Tilgung sollten Familien außerdem nicht zu eng kalkulieren.
Als Orientierungshilfe gilt: Bei gesunden Finanzen sind die normalen Ausgaben für Miete und Nebenkosten, die Haushaltsführung, Kleidung etc. kein Problem, und es bleibt auch noch Geld für eine gelegentliche Anschaffung außer der Reihe, für Freizeitbeschäftigungen (Kino, Eis essen, Ausflüge usw.) und für Unerwartetes (Zahnersatz) übrig. Vor allem aber sollte jeden Monat etwas zurückgelegt werden können, um auch Phasen der Arbeitslosigkeit möglichst mit wenig „Kollateralschäden“ zu überstehen.
Bei „Alarmstufe gelb“: kühl rechnen
Wird es finanziell eng, kann man prüfen, ob man wirklich alle staatlichen oder anderen Leistungen nutzt, die einem zustehen (Wohngeld, ergänzende Sozialleistungen, Kindergeld-Zuschlag, staatliche Überbrückungshilfen beim Unterhalt für Alleinerziehende, wenn der Partner nicht zahlt). Ein Haushaltsplan (Vordrucke s. u.) hilft, die Ausgaben zu begrenzen. Vor jeder (weiteren) Kreditaufnahme, sollte man Ein- und Ausnahmen einander gegenüber stellen, um zu erkennen, ob man sich die Rückzahlung leisten kann. Auch ist es wichtig, sich immer bei mehreren seriösen Banken über Kreditkonditionen zu informieren und hier zu vergleichen. Unseriöse Anbieter, die mit Angeboten „ohne Schufa-Auskunft“ locken, sollte man meiden, wie der Teufel das Weihwasser.
Gibt es erste Zahlungsschwierigkeiten, hilft es eher, frühzeitig mit dem Gläubiger zu reden. Oft ist jetzt noch die Vereinbarung von (niedrigeren) Raten möglich. Man sollte sich auch nicht von Inkasso-Unternehmen zu Ratenvereinbarungen drängen lassen, die nicht einmal die laufenden Zinsen und Kosten abdecken. Auch sonst gilt: Solche Vereinbarungen niemals unterschreiben, ohne den Vertrag von einer Schuldnerberatung prüfen zu lassen!
Zahlungsunfähig - in Stufen heraus aus dem finanziellen Keller
Wenn es aber doch passiert ist, Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können, grundlegende Alltagsausgaben zum Problem werden, die Bank eine Auszahlungssperre verhängt und den Dispo-Kredit gekündigt hat, oder gar Zwangsvollstreckung oder Lohnpfändung drohen, sollten betroffene Familien keine Zeit verlieren. Passives Abwarten führt immer tiefer in den Schuldenstrudel und kann seelisch regelrecht lähmen. Hoffnungslosigkeit schwindet am ehesten, wenn man aktiv wird. Und so sehen die Einzelschritte aus, mit denen man stufenweise wieder aus der Umklammerung der Geldsorgen heraus kommt:
- Stufe 1: Termin bei Schuldnerberatung vereinbaren
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Oft zaudern überschuldete Familien aus Scham zu lange damit, sich helfen zu lassen. Zahlungsunfähig zu sein – das ist in unserer Konsumgesellschaft ein Tabuthema. Nach Erfahrung von Schuldnerberatern sind die meisten Betroffenen sehr erleichtert, sich aussprechen zu können und das Licht am Ende des Tunnels gezeigt zu bekommen. Die erste Maßnahme ist also: Eine Schuldnerberatung (Adressen s. Textende) anrufen und einen Termin vereinbaren. Die Wartezeiten bei den Schuldnerberatungsstellen sind lang. Das ist jedoch nicht unbedingt schlecht, denn eine gute Vorbereitung auf das Gespräch braucht Zeit.
- Stufe 2: Schuldenliste aufstellen
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Viele überschuldete Familien wissen längst nicht mehr genau, bei wem sie eigentlich exakt wie viele Schulden, und was sie an regelmäßigen Ausgaben haben. Der nächste Schritt während der Wartezeit auf den Termin ist daher: eine genaue Übersicht über alle Einnahmen und Ausgaben der Familie erstellen, einschließlich Ratenzahlungen und Kreditverpflichtungen. Die Liste muss absolut vollständig sein, auch wenn’s an mancher Stelle vielleicht peinlich ist (etwa bei geliehenem Geld von Freunden oder Verwandten).
- Stufe 3: Mit den Unterlagen zum Gespräch
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Zum ersten Beratungstermin nimmt man neben der selbst erstellten Übersicht auch Unterlagen wie Mahnungen und Pfändungsbescheide mit. Nur so ist eine gezielte Beratung möglich. Die Fachleute erarbeiten dann mit der Familie, welche Informationen eventuell noch benötigt und wie diese Unterlagen beschafft werden können. Es wird dann eine Übersicht über die Haushaltsfinanzen erstellt. Die Schuldenberater überprüfen aber auch die Gläubigerforderungen in rechtlicher Hinsicht und geben Unterstützung bei der Wahrnehmung der eigenen Rechte des Schuldners.
Es wird auch überlegt, ob eine Umschuldung hilfreich wäre. Das Aufnehmen eines neuen Kredits zur Tilgung alter Schulden macht aber nur dann Sinn, wenn man zum einen seine Ausgaben deutlich einschränkt und zugleich möglichst mehr Einnahmen (Zusatzjob, Untervermietung) bekommt. Eine Umlagerung der Kreditschulden kann auch sinnvoll sein, wenn für bisherige Kredite überhöhte Zinsen gezahlt wurden. Eine Umschuldung bei der Bank verursacht aber zusätzliche Kosten, weshalb auch hier die Beratung durch einen Fachmann wichtig ist. In der Regel, betonen Verbraucherberater, lohnt eine Umschuldung nur selten.
- Stufe 4: Versuch der außergerichtlichen Einigung
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Meist macht der Berater mit der Familie den Versuch, sich außergerichtlich mit den Gläubigern zu einigen. Dazu wird mit ein sogenannter Schuldenbereinigungsplan aufgestellt. Darin wird mit den Gläubigern vereinbart, dass man in Ratenzahlung einen Teil seiner Schulden abstottert. Hält sich der Schuldner an diese Vereinbarung, verzichten die Gläubiger im Gegenzug auf weitere Forderungen. Lehnt aber auch nur ein einziger Gläubiger diesen Plan ab, scheitert der Einigungsvorschlag. Denn er funktioniert nur, wenn von keinem Gläubiger mehr Mahnungen ins Haus flattern.
- Stufe 5: Schuldenfrei mit der Privatinsolvenz
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Hat die außergerichtliche Einigung nicht geklappt, kann man mit dem Berater prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Privatinsolvenz (= Verbraucherinsolvenz) erfüllt sind. Die Privatinsolvenz steht sowohl überschuldeten Verbrauchern offen als auch ehemaligen Selbstständigen sowie Kleingewerbetreibenden - diesen letzten beiden Gruppen aber nur, wenn sie weniger als 20 Gläubiger und keine Schulden aus Beschäftigungsverhältnissen mit Arbeitnehmern haben. Die Idee: Wer ab sofort „Wohlverhalten“ zeigt, also bereit ist, sich stark einzuschränken, nicht mehr über seine Verhältnisse zu leben und versucht, seine Schulden zumindest teilweise zu tilgen, wird vom Gesetzgeber „belohnt“ mit dem Erlass der Restschulden.
Hierfür wird zuerst geprüft, was der Schuldner noch an pfändbarem Vermögen besitzt. Diese Vermögenswerte werden komplett an die Gläubiger verteilt. Zuerst werden aber die Gerichtskosten abgezogen, die der Schuldner selbst tragen muss. Nach etwa sechs Jahren ist man schuldenfrei. In dieser Zeit darf der Schuldner keine Kredite aufnehmen, keine Einkünfte verschweigen und er muss jede zumutbare Arbeit aufnehmen.
Der Antrag auf Privatinsolvenz wird beim Gericht eingereicht. Die nötigen Formulare für die Beantragung der Privatinsolvenz kann man sich selbst downloaden (s. Serviceteil), man erhält sie aber auch bei den Insolvenzgerichten direkt.
Weiterführende Links:
- Schuldnerberatungsstellen der Verbraucherzentralen: www.verbraucherzentrale.de (eigenes Bundesland anklicken, dort weiter zu „Beratungsangeboten“, dann auf „Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung“). Kostenlose persönliche Beratung, auch email- und Telefonberatung möglich.
- www.meine-schulden.de: Führung rund ums Thema Entschuldung, Darstellung des Ablaufs eines Schuldenregulierungsprozesses und des Verbraucherinsolvenzverfahrens, mit Adressen von Beratungsstellen in der eigenen Region. Der Ratgeber wurde von der BAG-Schuldnerberatung gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium entwickelt.
- Site der Schuldenhelpline mit Online-Beratung: www.schuldenhelpline.de. Telefonischer Rat unter 0180 / 456 456 4 (montags bis freitags 10-13 Uhr, dienstags und donnerstags zusätzlich 15-20 Uhr) für 20 Cent pro Anruf, unabhängig von der Gesprächsdauer. Finanziert aus Spendenmitteln der "GlücksSpirale" und Citigroup Foundation.
- Musterbriefe, Pfändungstabellen, Haushaltpläne zum Ausdrucken, Beratungsstellen in der eigenen Nähe, Übersichtsformular über eigene Schulden: www.meine-schulden.de (Angebot der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung).
- Antragsformular für das Verbraucherinsolvenzverfahren: www.justiz.de. Adressen von Gerichtsstandorten in der eigenen Region: www.justiz.de/OrtsGerichtsverzeichnis
Zum Weiterlesen
Peter Zwegat und Liane Scholze: “Raus aus der Schuldenfalle”, Rowohlt Tb 2008, ISBN-13: 978-3499623844.