Bloß nicht wie meine Eltern!
"Ich werde alles anders machen als meine Eltern!" So lautet ein häufiger Vorsatz künftiger Mütter und Väter. Warum wir oft dennoch ungewollt in alte Muster verfallen und wie wir eigene Erziehungsideale erfolgreich umsetzen, liest du in diesem Artikel.
Wenn einen die Vergangenheit doch einholt
„Schön war die Jugend, so sorglos und frei – Gott sei Dank ist sie schon lange vorbei.“ Diesen sarkastischen Stoßseufzer können viele Erwachsene unterschreiben. Denn beim Blick zurück auf die oft gar nicht idyllische und sorglose Kindheit packt nicht alle Menschen Wehmut oder gar der Wunsch, noch einmal Kind zu sein. Im Gegenteil finden viele, dass die erzieherischen Fähigkeiten ihrer Eltern arg zu wünschen übrig ließen. Und sie nehmen sich nicht selten vor: „Wenn ich mal Kinder habe, mache ich alles ganz anders!“ Sind die Kinder dann da, ist dieser Vorsatz gar nicht so leicht in die Tat umzusetzen. Manchmal ertappt man sich gar mit gelindem Entsetzen dabei, bei Stress ähnlich zu reagieren, wie die eigenen Eltern. Manchmal gibt es beim Blick zurück aber auch Positives, das es lohnt, übernommen zu werden. urbia hat Eltern nach ihren ganz persönlichen Erziehungsvorsätzen gefragt, und was daraus geworden ist. Eine Familienberaterin erläutert, warum man manchmal doch ungewollt in alte Muster verfällt und wie man seine Ideen in Sachen Erziehung erfolgreich umsetzt.
„Das sollte mir auf keinen Fall passieren“
Jutta aus Leverkusen
Schon bevor sie eigene Kinder haben, wissen viele Erwachsene genau, was sie bei ihren eigenen Kindern auf keinen Fall wiederholen würden. „Ich bin viel geschlagen worden, das habe ich rückblickend absolut verurteilt. Wenn meine Mutter nicht weiter wusste, hieß es: ‚Na warte, wenn der Papa nach Hause kommt’. Mein Vater hatte dann die ungeliebte ‚Aufgabe’, die Drohung meiner Mutter wahr zu machen, dann kam die Ohrfeige. Aber ansonsten hat er sich leider aus der Erziehung viel zu sehr herausgehalten“, berichtet Jutta (41), Erzieherin aus Leverkusen. „Meine Eltern hatten die klassische Rollenaufteilung, mein Vater hat das Geld verdient und sich seinem Job gewidmet.“ Die heutige Mutter dreier eigener und zweier Pflegekinder zwischen sieben und 16 Jahren fand auch, dass sie zu wenig Mitspracherecht hatte: „Ich wurde als Kind nie nach meiner Meinung gefragt, es wurde über mich entschieden. Ich musste zum Beispiel immer das anziehen, was meine Mutter wollte, musste die Schuhe kaufen, die ihr gefallen haben“.
Sonja aus Karlsruhe
Auch Physiotherapeutin Sonja (40) aus Karlsruhe blickt mit zum Teil sehr negativen Gefühlen auf ihre Kindheit zurück: „Am schlimmsten fand ich die allgemein schlechte Atmosphäre. Bei Tisch, aber auch sonst, war mein Vater sehr ungeduldig und hatte viel an mir auszusetzen“, berichtet die Mutter zweier Kinder (drei und vier Jahre). „Man musste das Essen aufessen und durfte am Tisch nicht reden“. Schade sei auch gewesen, dass es zu wenig gemeinsame und kindgerechte Unternehmungen gegeben habe. „Noch bevor ich selbst Kinder hatte, habe ich mir vorgenommen, dass es bei uns eine viel entspanntere und vor allem angstfreie Familienatmosphäre geben sollte. Auch wollte ich meine Kinder ohne körperliche und seelische Gewalt erziehen, weil ich selbst als Kind von beiden Elternteilen manchmal geschlagen und mit Liebesentzug bestraft worden bin. Ich wollte außerdem viele Sachen unternehmen, die auch Kindern Spaß machen. Und dass es zwischen Eltern und Kindern kein so großes Machtgefälle geben sollte. Als seien die Eltern Götter und die Kinder hätten kein Mitspracherecht.“ Auch seien ihre Eltern sehr isoliert gewesen, es habe kaum Kontakt zu anderen Eltern mit Kindern gegeben. „Im Gegenteil, es wurde oft schlecht geredet über andere, was ich sehr schlimm fand“.
Heike aus Karlsruhe
Gelassener kann Heike (41), Erzieherin und ebenfalls aus Karlsruhe, ihre Kindheit sehen: „Irgendetwas, was ich richtig schlecht fand, fällt mir jetzt gar nicht ein“, überlegt die Mutter zweier Jungen von 13 und elf Jahren. „Was allerdings wirklich nicht so toll war: Ich hatte immer das Gefühl, meine Mutter hört mir gar nicht zu, wenn ich ihr etwas erzählt habe. Ich habe mir daher vorgenommen, meinen Kindern später immer zuzuhören.“ Auch, dass ihr Vater sich weitgehend aus der Erziehung rausgehalten habe, fand sie schade. „Aber wenn ich etwas wollte, also Geld oder mit dem Auto irgendwohin gebracht werden, bin ich immer zu meinem Vater gegangen, den hatte man ganz schnell um den Finger gewickelt. Wenn es heikle Sachen waren, bin ich allerdings zu meiner Mutter gegangen. Aber auch mit ihr konnte man nicht richtig gut über Probleme reden.“ Heikes Vorsätze, sollte sie selbst einmal Kinder haben, waren ganz klar: „Viel Zeit für und ein offenes Ohr für die Kinder und ihre Probleme haben. Auch sollte mein späterer Mann für die Kinder und ihre Bedürfnisse da sein.“ Last but not least wollte sie auch, dass ihre Kinder später nicht nur zu Oma und Opa fahren, weil sie dort Geld bekommen. „Ich bin nämlich oft nur zu den Großeltern gegangen, weil ich wusste, man konnte da sein Taschengeld aufstocken.“
Eckehart aus Wuppertal
Eckehart (43), Ingenieur aus Wuppertal (zwei Kinder, zwei und acht Jahre alt) fand seine Kindheit „soweit in Ordnung. Allerdings fand ich es schlimm, dass bei uns nicht offen gestritten wurde. Bei Unstimmigkeiten wurde oft 14 Tage lang nicht mit mir gesprochen, weil keiner nachgeben oder sich entschuldigen wollte, auch ich nicht.“ Das habe er bei seinen späteren Kindern auf jeden Fall anders machen wollen. „Das war aber ein Lernprozess. Bei meiner ersten Freundin habe ich auch noch tagelang geschmollt, wenn es Streit gab. Das hat aber in der Partnerschaft natürlich nicht funktioniert. Ich habe gelernt, dass man noch am selben Tag alles klären sollte.“ Auch dass sein Vater kaum Zeit für ihn hatte, weil er oft das ganze Jahr über für deutsche Firmen im Ausland gearbeitet hat, findet er im Nachhinein schade. „Ich wollte später jeden Tag wenigstens ein bisschen Zeit mit den Kindern verbringen können. Ein Auslandsjob wäre nichts für mich.“
Positives aus der Kindheit fürs Handgepäck
Beim Rückblick auf die eigene Kindheit können alle vier Eltern aber auch Positives finden, das sie in die eigene Erziehung übernehmen wollten. Jutta erzählt: „Gut fand ich die offene Tür für meine Freunde. Es konnten so viele kommen, wie ich wollte und wie oft ich wollte. Meinen Eltern war es lieber, wenn ich zu Hause war und sie wussten wo ich bin. Ich nahm mir vor, das später auch so zu praktizieren.“ Was sie noch positiv findet: „Mein Vater hat immer gewartet, bis ich nach Hause kam, egal wie spät oder früh es war.“ Und sie lobt: „Bei uns waren früher zudem auch immer die Essenszeiten sehr wichtig, es wurde aufeinander gewartet, und man aß dann gemeinsam. Auch das wollte ich später auf jeden Fall übernehmen.
Zwei Dinge waren es, die Sonja später auf jeden Fall umsetzen wollte: „Was mir gut gefiel, war, dass wir manchmal Wald- und andere Naturausflüge gemacht haben, und die Natur so hautnah erleben konnten. Auch haben meine Eltern mir Musikunterricht ermöglicht, was ich auch sehr schön fand. Auch solch eine Förderung wollte ich meinen Kindern ebenfalls geben.“
Heike lobt an ihren Eltern, „dass sie, so oft es ging, mit uns in Urlaub gefahren sind, und das mit nur einem recht kleinen Gehalt von meinem Vater. Obwohl sie nur kleine Leute waren, haben sie versucht, uns Vieles zu ermöglichen.“ Gern erinnert sie sich auch daran, dass es viele gemeinsame Ausflüge und Spielenachmittage gab. „Wichtig fand ich auch, dass meine Mutter nach der Schule zu Hause war, und man bei ihr erstmal alles abladen konnte was einem so am Tag passiert ist. Auch konnten bei uns Freunde immer ein- und ausgehen.“ Wir hatten einen recht geregelten Tagesablauf, aber auch sehr viele Freiheiten. Das sind Sachen, die ich auf jeden Fall übernehmen wollte“, berichtet sie.
Dass seine Mutter ihn nie geschlagen hat, fand Eckehart wichtig, und wollte dies auf jeden Fall für die eigene Erziehung übernehmen, sollte er selbst Kinder haben. „Auch hatte sie viel Zeit für mich, weil sie erst wieder arbeiten ging, als ich schon 13 war. Wir haben hat oft gemeinsame Unternehmungen gemacht, weil mein Vater ja meist weg war.“
Was aus den Vorsätzen wurde
Offenes Haus für Besucher
Was aber wurde aus den Idealen, als die eigenen Kinder da waren? Jutta ist recht zufrieden, wenn sie über ihre heutige Erziehung nachdenkt. „Meine Vorsätze habe ich mit meinem Mann eigentlich auch umgesetzt. Zum Beispiel das offene Haus praktizieren wir heute auch. Oft koche ich für sieben Kinder und Jugendliche.“ Und sie ergänzt: „Generell sind bei uns gemeinsame Mahlzeiten wichtig, denn dort werden die wichtigsten Entscheidungen besprochen. Wir nehmen uns dafür viel Zeit und essen oft mehrere Stunden lang.“ Auch, dass ihr Mann Dieter sich genauso für die Kinder zuständig fühlt, ist ihr wichtig. „Er wird tagsüber mindestens einmal von uns bei der Arbeit angerufen und weiß daher immer, was zu Hause gerade anliegt an Freude, Ärger oder Neuigkeiten.“ Manch andere Vorstellung über Kindererziehung musste sie jedoch revidieren, denn: „Bevor meine Kinder kamen, habe ich immer gedacht, dass Liebe allein reicht, um Kinder zu erziehen. Über Übernächtigung, Stress und Sorgen habe ich mir keine Gedanken gemacht“, erzählt sie. Manchmal verliert sie daher auch die Geduld: „Besonders sauer werde ich bei Schlampigkeit: Zimmer nicht aufgeräumt, Jacke in der Schule vergessen, Termin mit Klassenkameraden nicht mit mir abgesprochen. Vielleicht kann ich beim ersten Mal noch sachlich bleiben, aber wenn dann patzige Antworten kommen und dann das zweite Kind auch noch sagt, ‚Oh, habe ich vergessen’, dann brülle ich relativ schnell. Das stört mich auch selbst, aber ich arbeite dran. Ich muss auch zugeben, dass ich meistens dann brülle, wenn ich selber Probleme habe.“
Niemals Bestrafung durch Liebesentzug
Sonjas Alltag mit den Kindern rüttelt manchmal kräftig an ihren Erziehungsidealen: „Mal klappt es, meine Vorstellungen umzusetzen, mal nicht“, berichtet sie. „Heikle Situationen sind das Anziehen, das Essen bei Tisch und das Kaputtmachen von Sachen durch die Kinder. Mal mache ich mir hier keinen Stress, manchmal raste ich aber doch aus. Was ich aber auf keinen Fall mache: Ich bestrafe meine Kinder nie mit Liebesentzug. Es gibt bei uns Grenzen und auch schonmal eine Auszeit auf dem ‚stillen Stuhl’. Aber ich begründe diese Dinge immer und versuche, mein Handeln für sie transparent zu machen. Es gibt keine Willkür.“ Was sie mit ihrem Mann auch umgesetzt hat: Ihre Familie hat viel Kontakt zu anderen Familien mit Kindern. „Wir tauschen uns aus und sind richtig integriert und nicht für uns allein.“ Schwierig ist für sie zu akzeptieren, dass ihre Kinder gut gemeinte Angebote oft nicht annehmen. „Zum Beispiel interessiere ich mich immer für ihren Vormittag im Kindergarten, zeige Gesprächsbereitschaft. Oft aber reagieren die Kinder lustlos, erzählen nichts oder geben eine blöde Antwort. Dann bin ich enttäuscht, denn ich hätte mir als Kind gewünscht, dass mir jemand zuhört. Auch ist meine ältere Tochter körperlich sehr zurückhaltend, sie ist überhaupt kein Schmusekind. Ich muss aufpassen, dass ich in dieses Verhalten nicht zuviel hinein interpretiere, sondern sie einfach so nehme, wie sie ist.“
Immer gut zuhören klappt nicht ganz
Auch Heike hat erfahren, dass sich nicht alle Vorsätze im Alltag mit Kindern verwirklichen lassen: „Ich glaube, bevor man eigenen Nachwuchs hat, kann man sich den Alltag mit Kindern einfach nicht vorstellen. Zum Beispiel wollte ich meinen Kindern immer zuhören. Leider ermahnen auch die mich jetzt oft genug: ‚Mama, du hörst ja gar nicht zu!’. Manchmal packt auch sie ungewollt die Wut. „Als die Beiden kleiner waren, war ich natürlich ziemlich oft überfordert, und da habe ich viel mit ihnen geschrien. Vor allem, wenn sie sich in der Wolle hatten. Das geht mir auch heute noch gewaltig auf die Nerven und führt bei uns zu Dauerkrach. Sei es beim Essen, wo sie sich unterm Tisch ständig mit den Füßen treten, oder wenn sie abends die Treppe hochgehen, um sich im Bad bettfertig zu machen. Meine Jungs scheinen nämlich nicht gemeinsam die Treppe hochgehen zu können, ohne nach hinten zu treten, unterm dem Arm des anderen durchzuflutschen und zuerst ins Bad rennen zu wollen“, klagt sie. Zufrieden ist Heike aber damit, dass sie und ihr Mann es geschafft haben, dass ihre Kinder „sich selbst lieben, sich meist untereinander verstehen und sich auf den nächsten Tag freuen. Wir haben außerdem, wie ich das auch bei meinen Eltern richtig fand, immer einen ziemlich geregelten Tagesablauf, und ich nehme mir außerdem viel Zeit für die Kinder.“ Gut findet sie, dass im Gegensatz zu ihrem Vater ihr Mann Klaus viel für die Jungen da ist. „Er geht oft mit ihnen zu einem Fußballspiel, Joggen oder Inliner und Rad fahren. Zu Elternabenden geht er sogar öfter als ich. Außerdem hilft er ihnen bei Schulfächern, in denen ich selbst nicht so gut bin.“
Schon mal die Hand ausgerutscht
Eckehart ist mit der Umsetzung seiner Vorsätze ziemlich zufrieden. „Allerdings können Kinder einen manchmal wirklich sehr provozieren und ihre Grenzen extrem austesten, das hätte ich mir früher so nicht vorgestellt. Deshalb ist es mir schon öfters passiert, dass ich mit unserer Großen gebrüllt habe. Und zweimal ist mir auch die Hand ausgerutscht, wofür ich mich aber hinterher sofort entschuldigt habe, denn das möchte ich auf keinen Fall.“ So wie er es sich vorgenommen hatte, schafft er es auch, sich täglich nach Feierabend zumindest eine halbe Stunde oder Stunde mit den Kindern zu beschäftigen. „Ich tobe dann mit den beiden herum, oder frage die Große nach der Schule und wie ihr Tag war. An den Wochenenden machen wir oft Vater-Kind-Aktionen, dann gehe ich mit den Kindern ins Schwimmbad oder Radfahren, so dass meine Frau mal Zeit für sich hat.“
Wie man 'Rückfälle' in alte Muster verhindern kann
Alte Programmierungen auflösen
Wie können Eltern es schaffen, ihre Ideale umzusetzen, und warum ist es manchmal so schwer, nicht in die Verhaltensmuster hineinzurutschen, die man nie wiederholen wollte? „Solche Dinge laufen zunächst unbewusst ab, man merkt es kaum“, tröstet Diplom-Psychologin Barbara Wojtek Eltern, denen die Umsetzung ihrer Ziele im Alltag oft nicht so gut gelingt. „Es sind sozusagen alte Programmierungen. Man hat also die Dinge, die man selbst erlebt hat, quasi automatisch abgeguckt.“ Was aber können Eltern tun, um aus der Wiederholungsfalle herauszukommen? „Der erste Schritt ist, sich überhaupt klarzumachen: ‚Jetzt mache ich Vieles genau wie meine Eltern’“, erklärt Wojtek, die bei der Familienberatungsstelle der Stadt Wuppertal arbeitet. „Der nächste Schritt ist dann zu sagen: ‚Halt! Stop! Jetzt unterbreche ich das.’ Wenn man dies immer wieder in den typischen Stress-Situationen macht, gelingt es mit der Zeit, seine Aufmerksamkeit zu verändern und schwierige Situationen früher wahrzunehmen. Dann kann man auch anders reagieren als bisher“, erläutert sie. Dabei sei es wichtig, nicht pauschal zu sagen, „wir wollen generell etwas ändern.“ Sondern genau zu schauen, in welchen Situationen man eigentlich immer wieder besonders empfindlich reagiert und so zu handeln droht, wie die eigenen Eltern. Ob es nun bei Tisch sei, das Anziehen und die morgendliche Eile mit Kleinkindern oder andere Dinge - jeder habe hier andere Schwachpunkte.
Eigene Ansprüche herunterschrauben
Manchmal sind es aber nicht nur alte Erfahrungsmuster, die einer Veränderung im Wege stehen: „Oft gibt es andere unbewusste Hindernisse, die erst einmal erkannt werden wollen“, so Wojtek. „Zum Beispiel haben viele Eltern Versagensängste. Sie sind vielleicht beide berufstätig und wollen gleichzeitig gute Eltern sein. Vor allem Mütter achten sehr darauf, was das Kind gerade macht, was das Kind will und wollen immer Zeit für das Kind haben. Solche Vorstellungen sind unrealistisch.“ Natürlich brauche ein Kind viel Zeit, aber es brauche keine ständige Aufmerksamkeit. „Wenn man hier etwas von seinen hohen Ansprüchen Abstand nimmt, lassen Stress und Druck nach.“
Oft seien auch schulische Leistungen Anlass für ungewollt starke Reaktionen von Mutter oder Vater. „Hier lastet auch ein hoher gesellschaftlicher Druck auf den Eltern. Sie machen sich natürlich Gedanken und Sorgen um die Zukunft des Kindes, was auch verständlich ist. Wichtig ist aber, keine überhöhten Vorstellungen zu haben“, betont Wojtek. Vielmehr sei trotz allem Gelassenheit angesagt: „Natürlich sollte man nicht sagen, schlechte Noten machen nichts. Wichtig ist aber, dass man sein Kind nicht mit anderen vergleicht. Sondern es anschaut, seine individuellen Fähigkeiten und Begabungen ehrlich berücksichtigt und nicht zuviel von ihm verlangt“, betont die Familienberaterin.
Auch die Rezepte, die in Ratgeber-Büchern gegeben werden, seien oft unpassend für die eigene Situation und könnten der inneren Gelassenheit sehr im Wege stehen. „Die vielen Pauschalrezepte, die gegeben werden, verunsichern Eltern sehr. Man kann aber lernen, sich aufs eigene Empfinden zu verlassen. Also im Einzelfall die jeweilige Situation betrachten und schauen, was ist jetzt wirklich angemessen.“ Ob also bei schulischen Sorgen oder anderen Problemen, bei denen man leicht ungewollt überreagiert – immer gelte zu schauen: „Wie sind {j}unsere{ek} Bedürfnisse als Familie, was ist uns bei der Erziehung wichtig. Und dass man Kompromisse findet, statt zu hohe Anforderungen an sich und die Kinder zu stellen.“